Angela Merkel empfiehlt: Aspirin

Die Union tat sich nicht leicht: Merkels Rhetorik ähnelt der von Schröder, und Stoiber spielte den inneroppositionellen Störfaktor

BERLIN taz ■ Links ein Konkurrent, rechts ein Konkurrent und im Rücken eine Pleite: Angela Merkel hatte gestern von allen Rednern den schwersten Stand. Nicht nur wollte sie sich gegen den Kanzler bewähren, die CDU-Vorsitzende musste ihren Anspruch als Oppositionsführerin auch gegen CSU-Chef Edmund Stoiber verteidigen, der auf der Ministerpräsidentenbank neben dem Bundesadler auf seinen Auftritt wartete. Er hatte die Kollegin erst Anfang der Woche von seinem Kommen unterrichtet. Zu allem Übel war Merkels letzte Rede bei der Debatte zum Irakkrieg allgemein als etwas lächerlich in Erinnerung geblieben, weil sie plötzlich vom Kündigungsschutz sprach, was zu Krieg und Frieden nicht recht passen wollte.

Auch gestern bereitete ihr der Kündigungsschutz Verdruss, diesmal allerdings aus dem Munde des Exkanzlerkandidaten Stoiber. Der Ministerpräsident will den Schutz bei Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten aufheben, um so den Mittelstand zu fördern, Merkel lehnt dies ab – und hat entsprechende Beschlüsse der gemeinsamen Bundestagsfraktion aus CDU und CSU auf ihrer Seite. Ähnlich ist der Fall beim Arbeitslosengeld gelagert, das Stoiber auf 12 Monate verkürzen will. Beide Forderungen wiederholte er gestern am Rednerpult des Bundestages, doch Merkels Helfer verbreiteten hinterher den Eindruck, der CSU-Chef werde wohl zuallererst in der eigenen Partei auf Widerstand stoßen. „Vielleicht regeln die das schon im CSU-Vorstand“, sagte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer. Schließlich mache es keinen Sinn, etwa durch Drohungen beim Kündigungsschutz „Millionen Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen“. Selbst der Fraktionsvize Friedrich Merz, gewiss kein Merkel-Freund, fand Stoibers Verhalten „ein bisschen spontihaft“.

Die Fraktionsvorsitzende ließ sich möglichen Ärger nicht anmerken, sondern klatschte demonstrativ mit. Es mag ihr erleichtert worden sein durch die gewohnt mäßige rhetorische Performance des Bayern. „In diesem Land herrscht eine depressive Stimmung“ gehörte da noch zu Stoibers markanteren Sätzen. Im Übrigen ist ihr sein Profilierungsdrang letztlich ungefährlich, verglichen mit dem Roland Kochs allemal. Für Stoiber gibt es kein Comeback, und so baut er mit Berliner Auftritten wohl nur den Adrenalinrückstau der verlorenen Bundestagswahl ab.

Ihrem offiziellen Gegenüber Gerhard Schröder wiederum war Merkel zu ähnlich, um wirklich zu punkten. Wie bei ihm blieben ihre Rezepte vage, und die Überschriften stammten aus dem Setzkasten der Politphrasen („konsequenter Kurs der Investitionen in die Zukunft“). Zweimal war sie in Gefahr, ihren Fehler bei der Irakrede zu wiederholen, Unpassendes auf passend zu trimmen: Als Ausweg aus der rot-grünen Investitionsmisere empfahl sie ausgerechnet Aspirin, „das Medikament des 20. Jahrhunderts“. Die Erfindung einer Kopfschmerzpille als Weg zu mehr Beschäftigung und Wohlstand – das schien ein wenig weit hergeholt. Und dann waren da die Schornsteinfeger. Merkel habe 20 Minuten gebraucht, um konkret zu werden, spottete anschließend SPD-Fraktionschef Franz Müntefering, und habe dann eine Reform der „Schornsteinfegerbereichsverordnung“ verlangt.

Von den beiden Konkurrenten Stoiber und Schröder ließ übrigens nur einer der Oppositionsführerin am Vorabend sein Manuskript zukommen: der Bundeskanzler, der damit parlamentarischem Brauch folgte. PATRIK SCHWARZ