: Scheiden tut Brandenburg weh
Angesichts der Trennungsgeld-Affäre diagnostiziert Ministerpräsident Platzeck „tiefe Vertrauenskrise“ im Land. Experten sollen jetzt Zahlungspraxis überprüfen
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck bekommt langsam Angst: Er sieht eine „tiefe Vertrauenskrise“ im Land und das Ansehen der Justiz beschädigt. Viele Leute fragten ihn: „Wem können wir noch trauen?“
Der Gewährungspraxis von Trennungsgeld in der brandenburgischen Verwaltung wohl erst mal nicht mehr. Darum sollen jetzt acht unabhängige Experten untersuchen, ob noch mehr Beamte als bisher bekannt unrechtmäßige oder überhöhte Zahlungen erhalten haben.
Ihren Ausgang nahm die Affäre ausgerechnet im Justizministerium. Seit September vergangenen Jahres wird dort in Sachen Trennungsgeld ermittelt, von 70 bisher geprüften Fällen waren 33 zu beanstanden. Gegen den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts in Frankfurt (Oder), Dieter Liebert, wird ein Amtsenthebungsverfahren angestrebt, am Dienstag hatte der oberste Richter Brandenburgs, Peter Macke, sein Amt als Präsident des Verfassungsgerichts niedergelegt und angekündigt, sein – rechtmäßig erhaltenes – Trennungsgeld von 2.800 Euro zurückzuzahlen, genau wie Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg, der rund 5.000 Euro bekam.
Beamte erhalten Trennungsgeld, wenn sie aufgrund einer Versetzung mehr als 30 Kilometer von ihrem Wohnort arbeiten müssen, dort Mangel an Wohnungen besteht und sie Umzugswillen zeigen. Brandenburg hatte die Regelungen des Bundes übernommen. „In anderen Bundesländern hat sie bislang gut funktioniert“, sagt der Staatsrechtler Ulrich Battis von der Berliner Humboldt-Uni. In Brandenburg habe aber eine „unerklärliche Schlamperei“ geherrscht. Für die Wirren der Nachwendezeit Anfang der 90er-Jahre sei das entschuldbar, doch die jüngeren Fälle seien absurd, da hätten alle versagt, vom Sachbearbeiter bis zum Vorgesetzten.
Versagt habe vor allen Dingen die Landesregierung, sagt der Fraktionsvorsitzende der PDS im Landtag, Lothar Bisky. Sie habe die Rechtsvorschrift, die bundesdeutschen Höchststand garantiere, nicht rechtzeitig verändert. Die Trennungsgeldaffäre zeige eine strukturelle Krise des Systems Platzeck/Schönbohm auf.
Licht in das Ministeriendunkel soll jetzt eine achtköpfige Expertenkommission bringen, angeführt von dem Juristen Wolfhart Schulz. Der Dozent für Reise- und Umzugskostenrecht der Mannheimer Fachhochschule des Bundes, Fachbereich Bundeswehrverwaltung, will ab der kommenden Woche untersuchen, ob auch die übrigen Ministerien erhöhte oder unrechtmäßige Zahlungen geleistet haben. Die Brandenburger Verhältnisse kennt er ganz gut – letztes Jahr hat er ein Gutachten für den Landesrechnungshof verfasst.
Brandenburgs Bauminister Frank Szymanski (SPD) beugt sich schon mal dem öffentlichen Unmut: Er zahlt die 4482,77 Euro, die er von 1998 bis 1999 als Bildungsstaatssekretär erhalten hat, freiwillig zurück.
HEIKE HOLDINGHAUSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen