Schlechter Kaffee am Lagerfeuer

Wenn Cowboys tun, was Cowboys tun müssen: Mit „Open Range“ findet Kevin Costner wieder zum Western zurück

Kevin Costner sattelt wieder die Pferde. Vierzehn Jahre nach seinem Film „Der mit dem Wolf tanzt“ widmet sich Hollywoods unverwüstlicher Marlboro-Mann der Herzen mit seiner vierten Regiearbeit noch einmal jenem Genre, das ihm einst Ruhm, Oscars und Vollbeschäftigung bescherte.

Das ist insofern verständlich, als es in letzter Zeit weder um den Regisseur noch um den Schauspieler Costner besonders gut bestellt war. Zwar sind Western gemeinhin nicht die erste Wahl, wenn es darum geht, schwächelnden Karrieren neuen Auftrieb zu verleihen. Andererseits hielt man damals auch „Der mit dem Wolf tanzt“ zunächst für abschreckend unmodern, langatmig und lang. Ob Kevin Costner daraus allerdings den Schluss zog, einen bewusst unmodernen und betont langatmigen Film drehen zu müssen, ist bislang nicht bekannt.

In „Open Range“ spielt er jedenfalls den aufrechten Viehtreiber Charley Waite, der mit seinem Boss (Robert Duvall), zwei Hilfstreibern und einem Hundetier um 1882 herum als quasi voll intakte Cowboyfamilie mit einer Rinderherde durch Montana zieht.

Wie sie bald feststellen, sind umherziehende Cowboyfamilien mit Rindern unter Montanas Siedlern jedoch nicht allzu beliebt, weshalb es nach kleinen Streitereien später zum unvermeidlichen Finale kommt, bei dem die Cowboymänner tun, was Cowboymänner eben tun.

Doch weil diese überschaubare Geschichte noch lange kein beinah zweieinhalbstündiges Epos von Costner’schem Zuschnitt füllt, geht es nicht allein um den Kampf zwischen Gut und Böse, sondern auch um den Gegensatz zwischen Wildnis (umherziehende Viehtreiber) und Zivilisation (Siedler). Und weil Costner in dieser Erzählung ein im Herzen guter Wilder ist, braucht er eine gute Frau (Annette Bening), die ihn zivilisiert.

Weil aber die Vergangenheit noch einen dunklen Schatten auf das Herz des guten Wilden wirft, muss er sich erst für die Zivilisation qualifizieren. Was läge da näher als ein bisschen Selbstjustiz, die der tapfere Viehtreiber mit gerechtem Zorn im Zuge seiner Läuterung am bösesten Siedler der Umgebung exerziert.

Es ist schwer zu sagen, was an „Open Range“ eigentlich das Schlimmste ist: die zugrunde liegende Moral? Der heilige Ernst, mit dem der nun vollends humorlose Kevin Costner diesen B-Film-tauglichen Unfug inszeniert? Oder der Umstand, dass ihm dabei ein paar wirklich schöne Dinge gelungen sind: Es gibt wunderbare Sonnenauf- und Sonnenuntergänge sowie Bilder von munteren Präriehasen, die drollig durch die Gräser hoppeln. Es gibt stimmungsvolle Lagerfeuerimpressionen mit selbst gedrehten Zigaretten und schlechtem Kaffee. Und es gibt viele gute Darsteller mit angemessen verwittertem Gesicht.

Dass die Romanze des Films von einer 45-Jährigen und einem 49-Jährigen gespielt wird, ist eine schöne Abwechslung. Und dass Kevin Costner den finalen Schusswechsel klugerweise ohne Zeitlupe, geschüttelte Kamera und anderen neumodischen Unfug in Szene gesetzt hat, gibt der Gewalt tatsächlich die gewünschte gewalttätige Aura.

Doch weil ihm das gelungen ist, ärgert der Rest des Films nur umso mehr. HARALD PETERS