Mit dicken Spikes auf dünnem Eis

Günther Bauer ist der Star der deutschen Eisspeedwayfahrer. Und er war einer der Favoriten auf einen WM-Titel bei den Weltmeisterschaften, die gestern in Wilmersdorf zu Ende gingen. Mit dabei war auch die Elite des russischen Speedwaysports

von MARTIN GROPP

Günther Bauer weiß, warum er mit knapp 100 Stundenkilometern auf dem Motorrad über eine kreisrunde Eisbahn rast: „Was mir am besten gefällt, das sind die Schräglagen in den Kurven. Das ist einfach das Geilste“, schwärmt der deutsche Eisspeedwayfahrer.

In den Kurven sah Bauer an diesem Wochenende beim Finale um die Weltmeisterschaft im Wilmersdorfer Horst-Dohm-Eisstadion ziemlich gut aus. Und auch auf den Geraden des 400 Meter langen Rundkurses konnte der 31-Jährige aus Bayern überzeugen. Am Samstag dominierte Bauer die Konkurrenz mit vier ersten Plätzen und einem zweiten Platz in der Vorrunde. Durch seinen Sieg im anschließenden Finale wahrte der Süddeutsche seine Chancen, als erster Deutscher überhaupt einen Einzel-WM-Titel zu holen.

25 Punkte standen nach dem ersten der zwei entscheidenden Renntage auf Bauers Konto. Damit schob er sich vom fünften auf den zweiten Platz vor. Vor den Rennen am Sonntag (Ergebnis erst nach Redaktionsschluss) fehlten ihm nur noch zwei Punkte auf den führenden Witali Chomitsevitsch aus Russland.

„Mit 18 bin ich zum ersten Mal gefahren“, sagt Bauer. Zehn Jahre später, im Winter 2000, wurde er erstmals deutscher Meister. „Eisspeedway ist eine Routinesportart, da braucht man Erfahrung. So kommt es, dass auch am Wochenende in Wilmersdorf wieder Altstars der Szene, wie Per-Olov Serenius und Stefan Svensson am Start waren. Serenius ist 55 Jahre alt, Svensson 44.

Einen Generationenwechsel hat es dagegen bei den russischen Fahrern gegeben. Mehrere ältere Fahrer sind zurückgetreten und haben den Platz für den Nachwuchs frei gemacht. Fast alle der neun russischen Fahrer im WM-Finale sind Profis. „In Russland ist Eisspeedway ein Volkssport“, so Bauer. Er betreibe den Extremsport dagegen „hobbymäßig“. Dafür investiert er bis zu 50.000 Euro in der Saison.

Im Vorfeld des WM-Finales wurde Günther Bauer als Geheimfavorit auf den Titel gehandelt. Seine Konkurrenten wissen von seiner momentanen Stärke. Der Österreicher Frank Zorn, wegen seines Spitznamens „Franky“ und seiner blond gefärbten Haare so etwas wie der Sonnyboy des Eisspeedway-Zirkus, wünschte dem Kontrahenten, „dass er ganz vorne mit fährt“.

Bauer selber hatte seine Chancen vor dem Rennwochenende eher vorsichtig eingeschätzt und wegen seiner angeschlagenen Gesundheit tiefgestapelt. Bei den ersten beiden Finalläufen Mitte Februar hatte sich Bauer im russischen Saransk eine schwere Lungenentzündung zugezogen. Nach dem Finale hatte er nur ein frisches T-Shirt unter die Motorrad-Kombination gezogen. Die Siegerehrung bei Minus 25 Grad dauerte dann etwas länger, als er vorher gedacht habe, sagt Bauer. Im holländischen Assen lief es trotzdem gut für ihn: „Beim letzten Rennwochenende habe ich neun Punkte gutgemacht. Wenn ich das hier noch mal packe, dann könnte es mit der WM schon klappen.“

Spektakuläre Stürze blieben am Wochenende Mangelware. Nur der 55-jährige Routinier Serenius rutschte im Finale am Samstag vom Eis. Überhaupt sei die Gefahr relativ, sagt Günther Bauer: „Wenn sich die Guten miteinander messen, ist es nicht ganz so gefährlich, wie in den Qualifikationen, wo viele unerfahrene Fahrer antreten.“ Wirklich schlimm seien nur die Spikes.

Die hat Bauer schon häufiger zu spüren bekommen: Eine 20 Zentimeter lange Risswunde am Oberschenkel und Splitterbrüche am Schienbein. Ein Eisspeedway-Krad hat durchschnittlich 320 Spikes – hinten 200 und vorne 120.