schnittplatz
: Werbung wird mit „Bild“ erst schön

Vergessen Sie Günter Wallraff. Ja, vergessen Sie den Mann, der bei Bild Hans Esser war. Denn jetzt kommt der Mann, der bei Bild Olaf Wehmann ist. Wehmann serviert den Bild-Lesern in Berlin und Brandenburg seit Anfang März jede Menge Power-Journalismus. Knallhart und investigativ.

Unter dem Label „Meine Firma“ porträtiert er schonungslos große Berliner Firmen. Fast eine ganze Seite nehmen seine Artikel ein. Zum Vergleich: Eine ganzseitige Schwarz-Weiß-Anzeige in der Berlin-Brandenburg-Ausgabe der Bild kostet 11.742 Euro. Und dann drückt mir auf offener Straße ein Promoter in einer Jacke mit dem Logo des Berliner Rundfunks 91.4 eine „kostenlose Leseprobe“ der Bild-Zeitung in die Hand. Selbstverständlich „mit freundlicher Unterstützung“ des Berliner Rundfunks. Denn der wurde in dieser Ausgabe porträtiert. Der Witz: In der normalen Kaufausgabe gab es dasselbe Porträt auf der gleichen Seite 6. Ein gewöhnlicher Artikel, nicht als Anzeige gekennzeichnet.

Ebenso wie beim Berliner Rundfunk verfuhr die Bild bisher auch bei Firmen wie Karstadt, dem Estrel-Hotel oder der K-fee AG – um nur einige zu nennen. Das Karstadt-Porträt trägt den Titel: „Wer hier keine Klamotten findet, ist selber schuld“. Wir lesen weiter: „In allen 18 Großabteilungen drängen sich Kunden, beraten Verkäuferinnen, kassieren.“ Unfassbar! Das hätte niemand für möglich gehalten. Danke, Olaf Wehmann. Danke, Bild. Um mich persönlich zu bedanken, rief ich Wehmann an. Der verwies mich an seinen Chef. Ich erreichte nur dessen Sekretärin. Sie sagte, dass „man“ mich zurückrufen würde. Stunden später dann erzählt mir Pressesprecher Tobias Fröhlich: „Die Firmen und die Menschen, die für sie arbeiten, sind uns publizistischer Anlass genug für die Serie.“ Das sagte er allerdings erst bei unserem zweiten Telefonat, nachdem er zuvor noch intern klären musste, was dran war am Vorwurf der Schleichwerbung. Welche Firmen in dieser Woche porträtiert werden, wollte er nicht sagen. Geheim, geheim! Hört sich wieder nach Brisanz „made by Wehmann“ an. Die Kriegsreporter werden sich in den kommenden Wochen sehr anstrengen müssen, um diesen Mann zu toppen. MICHAEL REINHARD