Mehr Rat für Migranten

MigrantInnen in Nordrhein-Westfalen sind kaum am politischen Leben beteiligt. Duisburg und Solingen haben jetzt zwei neue Modelle erprobt

Für eine große Reform müsste die Gemeinde-ordnung geändert werden – das will im Wahljahr niemand

VON HARALD SCHÖNFELDER

Sie haben eine niedrige Wahlbeteiligung, es fehlt an Geld, die Mitglieder kommen nur selten vollzählig zu den Sitzungen – und dann müssen sie manchmal auch noch um einen Sitzungsraum betteln. Viele Ausländerbeiräte in NRW haben es schwer. Eigentlich sollen sie für die Belange der MigrantInnen eintreten, sich in die politische Diskussion einmischen. Die Ratsmitglieder sind ihre Abgeordneten in der kommunalen Politik. Die Arbeit ist mühsam: Sie können nur beraten und empfehlen, Stellvertreter für die Mitglieder sind nicht vorgesehen. In der breiten Öffentlichkeit wird ihre Arbeit kaum wahrgenommen, aber auch nicht von ihren WählerInnen. „Wir hatten ja in Hamm das Glück, bei den letzten Ausländerbeiratswahlen die höchste Wahlbeteiligung in NRW zu haben“, sagt Günter Schwibbe, Geschäftsführer des Hammer Ausländerbeirates. Doch besonders glücklich sieht er dabei nicht aus, denn „Mit einer Wahlbeteiligung von 11,4 Prozent kann man nicht zufrieden sein.“

Damit sich das alles ändert, wird das Modell Ausländerbeirat erneuert. Die Idee ist schon so alt wie der Beirat selber, nämlich zehn Jahre. Seitdem hat der Landtag eine Reform ohne Ergebnis diskutiert. Erst als sich die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen NRW (LAGA) massiv einmischte, kam Bewegung in die Sache. Das Ergebnis: die Kommunen sollen beenden, woran das Land gescheitert ist. Das ist sogar von Vorteil. Jetzt können die Änderungen von denen ausgearbeitet werden, die die Bedürfnisse vor Ort am besten kennen. Bis zu den Wahlen des Ausländerbeirates im Herbst soll das neue Modell stehen.

Aus zwei Entwürfen können die Kommunen auswählen. Beide werden seit fünf Jahren in Modellversuchen in Solingen und Duisburg ausprobiert. Das Solinger Modell ähnelt einem Ratsausschuss. Der hat größere Befugnisse als ein Ausländerbeirat. Der Nachteil dieses Modells: in einem Ausschuss müssen die Stadtratsmitglieder die Mehrheit bilden, die MigrantInnenvertreter sind in der Minderheit. Das Duisburger Modell dagegen nennt sich Integrationsrat. Der ist ein Ausländerbeirat de Luxe, arbeitet aber enger mit dem Stadtrat zusammen und die Vertreter der MigrantInnen sind in der Mehrheit.

Damit entspricht das Duisburger Modell den Vorstellungen der LAGA. Die hat allerdings noch ein paar Änderungswünsche. Dazu gehört zum Beispiel die Möglichkeit zur Briefwahl, außerdem soll in Zukunft jedem Beiratsmitglied ein Stellvertreter zur Seite stehen. Sitzungen mit halber Teilnehmer- und Stimmenzahl sollen damit der Vergangenheit angehören.

Eine große Reform steht also nicht an. Denn das hieße, die Gemeindeordnung müsste umgeschrieben werden – das will aber niemand im Wahljahr. Und auch die Ausländerbeiräte sind vorerst mit einer kleinen Lösung zufrieden. Schon etwa ein Drittel aller Beiräte in NRW folgt dem LAGA-Modell. Aber auch nach der Wahl stehen die Chancen für mehr Rechte der Beiräte schlecht. Die LAGA fragt sich, ob LandespolitikerInnen eine größere Teilhabe der MigrantInnen überhaupt gerne sähen.

Günter Schwibbe hofft nun auf das Engagement der Beiratsmitglieder im anstehenden Wahlkampf. Denn „die Einflussmöglichkeiten und die Legitimation der Migrantenvertreter sind um so größer, je höher die Wahlbeteiligung ist.“ Egal, wie das Kind dann heißt.