„Stark an die Sache glauben“

Barcelona hat 1999 die Berliner Solarverordnung umgesetzt, die hier an der Baulobby scheiterte. Umweltstadträtin Mayol i Beltran über einen äußerst erfolgreichen Import – und den nötigen Mut

INTERVIEW BERNHARD HÜBNER

taz: Warum haben Sie in Barcelona ausgerechnet die Berliner Verordnung übernommen?

Imma Mayol i Beltran: Damals, Ende der 1990er, gab es nur das Berliner Modell. Es war die erste Stadt mit so einer Verordnung. Berlin hatte die Regeln aufgestellt, sie aber nicht umgesetzt. Barcelona hat die Idee kopiert und angewendet.

Gab es Widerstand?

Sehr starken sogar. Aber wir fühlen uns dem Thema Solarenergie stark verbunden. Die Klimapolitik ist in unserem rot-grünen Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wir wollten den Dialog mit der Bauwirtschaft, aber die Unternehmen haben gemerkt, dass wir die Verordnung auf jeden Fall durchsetzen wollten.

Wieso hat es in Berlin nicht geklappt?

Die Frage ist, wie stark man an die Sache glaubt. Die Berliner Regierung hatte das richtige Ziel, aber ein wenig Angst vor der Konfrontation mit der Baulobby. Vor allem die konservativen Parteien haben die Verordnung blockiert. Bei uns gab es bei der entscheidenden Abstimmung im Stadtrat keine Gegenstimmen. Im Moment ist es in Spanien politisch opportun, für den Umweltschutz zu sein.

Hier wurde das Modell vor allem abgelehnt, weil neuer Wohnraum so teurer wird. Hatten Sie damit keine Probleme?

Das ist doch nur 1 Prozent mehr. Am Anfang hatten die Bauunternehmen dennoch viele Vorurteile. In einem Jahr konnten wir einen großen Teil davon zurückweisen. Im Moment gibt es viele Förderprogramme für Solaranlagen. Durch diese und die Energieeinsparungen haben Hausbesitzer die Kosten in fünf Jahren ausgeglichen.

Wie viele Arbeitsplätze hat die Verordnung bei Ihnen geschaffen?

Genaue Zahlen gibt es noch nicht. Aber wir schätzen, dass in der Region Barcelona, in der 6 Millionen Menschen leben, heute 50.000 Fachkräfte im Bereich alternative Energien arbeiten. Vor 8 Jahren waren es 20.000. Und: Es gibt immer mehr Nachfragen nach Fortbildungen in der Solartechnik.

Muss man die Menschen zum Umweltschutz zwingen?

Es braucht drei Strategien: Gesetze und Regeln, Sensibilisierung und Aufklärung sowie eine Vorbildfunktion der Verwaltung. Wenn die Menschen sehen, dass sich die Regierung für die Sache einsetzt, verändern sie auch eher ihr eigenes Verhalten.

Aber ganz ohne Zwang geht es nicht?

Bei manchen Problemen geht es auch ohne. Beim Abfall-Recycling ist es zum Beispiel besser, die Menschen zu informieren, als eine große Verordnung zu erlassen. Bei der Solaranlagenverordnung war der Zwang jedoch eindeutig notwendig.

Welche Ratschläge würden Sie Berlin geben?

Ich kann Berlin keine Ratschläge geben. Es ist eine bedeutende Stadt für die Umweltpolitik. Ich komme her, um zu lernen.

IMMA MAYOL I BELTRAN ist stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Barcelona und Stadträtin für Umwelt.