Schily schäumt, Ströbele strahlt, NPD verliert

Der Innenminister greift die Verfassungsrichter an: Ihre Einstellung des Verfahrens sei schlecht begründet und von den Medien beeinflusst. Der Grüne Ströbele hält die Entscheidung für „mutig“. Und die CDU fordert einen neuen Anlauf

BERLIN taz ■ Die Betroffenen hätten schon gerne gewusst, wie verfassungsfeindlich sie sind: Die NPD bedauerte gestern jedenfalls die Einstellung ihres Verbotsverfahrens. „Eine Entscheidung in der Sache wäre für unsere Partei wichtig gewesen“, sagte der NPD-Vorsitzende Udo Voigt. Seine Partei leide unter den ständigen Angriffen. Der NPD-Prozessbevollmächtigte Horst Mahler trat gar aus der Partei aus – sie sei ihm nun zu langweilig, also: zu sehr „am Parlamentarismus ausgerichtet“, wie er sagte.

Wer nun schuld daran war, dass die NPD derartig verunsichert bleibt, darüber waren sich die Antragsteller gestern nicht einig. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bekannte, da er für den Verbotsantrag der Bundesregierung zuständig sei, „habe ich das Scheitern des Verfahrens selbstverständlich mitzuverantworten“. Allerdings „sollen sich hinter meinem breiten Rücken nicht alle anderen verstecken“. Das „Urheberrecht“ an der Verbotsidee stehe ja dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) zu. Beckstein hatte vor zwei Jahren die Bundesregierung vom Sinn eines Verbotsverfahrens überzeugt.

Schily kritisierte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts scharf: „unrichtig“ seien die Gründe, „abwegig“ die Forderungen. Dass sich Bundestag, -rat und -regierung der Informationen von V-Leuten bedient hätten, habe nicht dazu gedient, „Einfluss auf die NPD zu nehmen“. Die Verbotsanträge hätten nahezu ausschließlich Quellen verwendet, die öffentlich zugänglich waren.

Im Übrigen sei bekannt gewesen, dass der Verfassungsschutz mit V-Leuten arbeite, argumentierte Schily. „Im Rahmen der richterlichen Fragepflicht hätte sich das Gericht erkundigen müssen“, wie weit die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Spitzeln reicht. Dann hätten die Antragsteller sich erklären können. Wenn die drei Richter, deren Meinung zur Niederschlagung des Verfahrens führte, „fälschlicherweise“ von „eingeschleusten Personen“ sprächen, so hätten sie sich „offensichtlich von Medien beeinflussen lassen“.

Im Ergebnis stelle das Gericht den Staat vor eine „völlig unerträgliche Alternative“: Der Staat müsste „entweder auf die Beobachtung oder auf das Verbotsverfahren verzichten“, erklärte Schily. Diese „unerfüllbare Forderung“ habe für jeden möglichen neuen Anlauf zu einem Verbotsverfahren eine „Sperrwirkung“. Das heißt: Einen neuen Verbotsantrag wird es mit der Bundesrgierung nicht geben.

Der Grünen-Rechtsexperte Christian Ströbele, der ein Verbotsverfahren stets abgelehnt hatte, kritisierte Schilys Angriff auf das Gericht. „Es war eine mutige Entscheidung“, sagte Ströbele zur taz. „Immerhin haben sich die Richter dazu durchgerungen, auch einer rassistischen und antisemitischen Partei ein rechtsstaatliches Verfahren zu garantieren.“ Logische Konsequenz sei nun, „den Einsatz von V-Leuten zu überprüfen“ und gegebenenfalls „erheblich einzuschränken“ – „es kann nicht sein, dass 17 Behörden V-Leute aussenden“.

Der Grüne sieht sich bestätigt: Die Geheimdienste müssten dazu gezwungen werden, besser zu kooperieren und Informationen „im Apparat nach oben durchzuleiten“. Dann könnte „auch die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste effektiver werden“. Ob überhaupt 16 Landesverfassungsschutzämter so viele Aufgaben haben müssten, sei fraglich. Ströbele bestritt, dass das Gericht den Staat vor eine Alternative „beobachten“ oder „Verbot versuchen“ stelle: „Das stimmt so nicht“, erklärte er der taz. Dass V-Leute vor Verfahrensbeginn abgestellt würden, sei eine „vollkommen logische Forderung“.

Auch die FDP meldete sich gestern mit dem Hinweis zu Wort, sie habe es ja gleich gewusst und sei immer gegen ein Verfahren gewesen. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, „Herr Beckstein und Herr Schily haben schwere Schuld auf sich geladen“. Die CDU fand dagegen, man solle es noch einmal versuchen: Der innenpolitische Sprecher der CDU, Sven Petke, sprach sich dafür aus, einen „gut vorbereiteten Verbotsantrag“ erneut in Karlsruhe einzureichen.

ULRIKE WINKELMANN