Lehrjahre des Gefühls

Der Filmkritiker Michael Althen stellt sein Buch „Warte, bis es dunkel ist“ vor und zeigt seinen Lieblingsfilm „Der Partyschreck“

von ECKHARD HASCHEN

Mit 30 schrieb Michael Althen in sein „Tagebuch des Kritikers“ in der Filmzeitschrift Steadycam, dass ihn sein Gedächtnis nun immer öfter im Stich lasse: „Auf alles, was einem einfällt, entfallen einem zehn andere Sachen.“ Jetzt mit 40, scheint es aber noch immer recht gut zu funktionieren, speist sich sein Buch Warte, bis es dunkel ist doch fast komplett aus zum Teil sehr weit zurückreichenden Erinnerungen. Aber die bleiben ja bekanntlich am längsten haften. Althens „Liebeserklärung ans Kino“, so der Untertitel, ist eine Medienautobiographie. Denn seine frühen, prägenden Filmerlebnise hat der über viele Jahre für die Süddeutsche Zeitung und jetzt für die FAZ Schreibende, bevor er dem dunklen Kinosaal buchstäblich anheimfiel, vor dem heimischen Fernseher gemacht.

Aber der Blick zurück ist Althen zunächst wie das weiße Rauschen nach Sendeschluss, das es in den Siebzigern noch gab: „Wir sind ohne Sorgen groß geworden, was wir erlebt haben, war nie existentiell, also sind auch unsere Erinnerungen flau, durchzogen von einem Wohlstandsflimmern, das keine Empfindungen zurückgelassen hat.“ Eine Leerstelle also, ein „blank“, „bereit, die Lücken mit Bildern und Geschichten aller Art aufzufüllen“. Und das waren für Althen zunächst Fernsehserien wie Flipper und Daktari, Starsky & Hutch, Detektiv Rockford und Die Straßen von San Francisco.

Vom Filmesehen, zunächst noch „im hellblauen Frottee-Schlafanzug mit den Eltern vor dem Fernseher“, gings dann bald ins Kino, angefangen mit der „Mutter aller Teenie-Komödien“, Her mit den kleinen Engländerinnen, mit dem „man gerne vollständig im Einklang gewesen wäre“. Heute weiß Althen, dass das Kino eher Folterbank denn Wunschmaschine ist, denn: „Solange man jung ist, lässt es uns von all jenen Wünschen träumen, die wir uns erfüllen können, wenn wir erst mal alt genug sind. Kaum ist man erwachsen, schürt es die Sehnsucht nach einer Jugend, die wir so leider nie erlebt haben.“ Nie würde Althen das Kino deshalb aber im Sinne von „Es gibt kein wahres Leben im falschen“ verdammen, sondern es im Gegenteil als „die schönste Erfindung der Neuzeit“ preisen, „denn Kino ist zwar nicht unser Leben, aber doch eine ganz wunderbare Alternative zu dem, was wir für unser Leben halten.

Kann schon sein, dass Althen etwas zu sehr mit seiner Cinephilie kokettiert und auch ein paar mal zu oft „wir“ und „uns“ schreibt. Wobei Letzteres aber nicht nur mit seinen journalistischen Anfängen in den Achtzigern, als er auch für Tempo schrieb, zusammenhängt, sondern auch von angloamerikanischen Kritikern wie Pauline Kael oder David Thomson inspiriert ist, die dies über Jahrzehnte mit großer Selbstverständlichkeit taten und tun. Aber was wäre die Filmpublizistik ohne die vielen präsisen Beobachtungen und profunden Einsichten von Kritikern, unter ihnen Godard und Truffaut, die am liebsten in die Leinwand eintauchen würden.

Nach seinem mit Filmausschnitten angereicherten Vortrag, in denen mit Sicherheit Audrey Hepburn und Michelle Pfeiffer zu sehen sein werden, wird Althen in einen Film einführen, dessen Regisseur Blake Edwards von Münchener Kritikern wohl so sehr verehrt wird wie von keinen anderen: „Da war also Peter Sellers, der als Inder verkleidet ist und auf die Party eines Hollywood-Produzenten gerät, zu der er offensichtlich nicht eingeladen ist. Der ganze Film spielt auf einer Party, die nach und nach aus dem Ruder läuft. ... Hier war etwas von so sagenhafter Eleganz, dass man darüber manchmal zu lachen vergaß. Das ändert aber nichts daran, dass Der Partyschreck der lustigste Film aller Zeiten ist.“

Mo, 24.3., 18 Uhr: Lesung; 20.15 Uhr: Der Partyschreck, AbatonMichael Althen: Warte, bis es dunkel ist. Eine Liebeserklärung ans Kino, Karl Blessing Verlag, München 2002, 256 S., 21,90 Euro