Villa-Ichon-Friedenspreisträger Martin Rooney schreibt an den Vorstand der Villa Ichon
: „Die Menschen im Irak hoffen verzweifelt, dass der Militärschlag sie befreit“

„Wenn ich den Namen der englischen Stadt Bath höre, dann stockt mein Herz“, sagt der Literaturwissenschaftler und Villa-Ichon-Friedenspreisträger Martin Rooney (Foto). Denn in diesem Städtchen hätten deutsche Tiefflieger um Haaresbreite seine Familie ausgerottet. Sein Onkel meldete sich darauf freiwillig bei der Army und zog in einem der ersten britischen Panzer 1945 in Hamburg ein.

Was lernen wir aus dem Krieg? „Nie wieder Krieg sagen die Deutschen“, erklärt Rooney, „wir Engländer sagen: nie wieder Appeasement.“ Für Rooney ist die pazifistische Option gegenüber Ländern, in denen es keinen zivilen Widerstand gibt, nicht ernst zu nehmen.

Den Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon erhielt er nicht wegen seiner Meinung zu Pazifismus und Irak, sondern für seiner Erinnerungs-Arbeit an den Genozid in Armenien 1915. Seine Kritik an der Bremer Friedensbewegung hat im Nachhinein im Vorstand der Villa Ichon zum Streit geführt. Die Mehrheit des Vorstandes beschloss, den Preis per Post zuzustellen und die Ehrung abzusagen. Die zwei in der Abstimmung unterlegenen Mitglieder im Vorstand der Villa Ichon, Ulrich Fuchs und Luise Scherf, haben darauf insistiert, dass es zumindest zu einem späteren Zeitpunkt eine Diskussionsveranstaltung geben müsse. Die ist für den 29. März, 11 Uhr, in der Villa Ichon angesetzt. Allerdings haben Klaus Hübotter vom Vorstand und Heinrich Hannover, einst Villa-Ichon-Preisträger und scharfer Kritiker Rooneys, erklärt, sie wollten bei dieser Veranstaltung nicht auf dem Podium sitzen. Rooney habe aufgrund seiner Auffassung zu der aktuellen Friedensbewegung den Preis nicht verdient, so ihre Haltung. kawe

„Befreit den Irak“ ruft Rooney nun in einem Offenen Brief an Hübotter und Hannover zurück, den wir hier dokumentieren:

„Seit Jahrzehnten herrscht Krieg im Irak. Das menschenverachtende Regime mit Saddam Hussein an der Spitze führt Krieg gegen die Völker des eigenen Landes. Die Herrschaft der heutigen Staatspartei begann 1963 mit einem Blutbad. Die Menschen der arabischen Metropole Bagdad stellten sich mit bloßen Händen der Baath Partei entgegen. Das Massaker an ihnen dauerte mehrere Tage, danach folgten Morde an Kommunisten, Juden und anderen Gruppen. Die Kurden im Irak wurden mit Gift bekämpft und in Wüsten-KZs umgesiedelt. Vertreibungen und Exekutionen Andersdenkender gehören zur Tagesordnung im heutigen Irak. Die Schiiten im Südirak bekamen die volle Grausamkeit des Regimes nach ihrem vom Ausland im Stich gelassenen Aufstand 1991 zu spüren.

Die Menschen im Irak hoffen verzweifelt, dass der amerikanisch-britische Militärschlag sie von der totalitären Herrschaft Saddams befreien wird. Gleichzeitig fürchten sie um die Opfer eines Krieges. Die Bremer Friedensbewegung ist den bangenden Menschen im Irak leider kein Verbündeter. Nirgendwo auf den beiden Massendemonstrationen am 8. und 13. Februar 2003 in Bremen wurde Hitlers Wiedergänger Saddam Hussein angeprangert und zum Sturz des irakischen Regimes aufgerufen. Doch erst die vollständige Beseitigung von Saddam Husseins Diktatur bedeutet für die von vielfältigen Repressionsorganen gequälte Bevölkerung Frieden. (...)“