Blair genießt Triumph

Der Premierminister schöpft aus dem Hutton-Report neue Kraft. Dabei ist der eigentliche Bericht noch gar nicht geschrieben

DUBLIN taz ■ Der Plan lag schon bereit: Kaum hatte Lordrichter Hutton am Mittwoch sein überaus regierungsfreundliches Urteil gesprochen, da schwärmten die Kabinettsminister aus, um Tony Blairs Triumph zu verkünden. „Viele haben behauptet, dass Blair die Kontrolle entglitten ist“, sagte einer. „Das ist nun widerlegt. Wäre der Hutton-Bericht einen Tag früher gekommen, hätten wir die Abstimmung über die Studiengebühren noch deutlicher gewonnen.“ Ein anderer sagte: „Alle sind erleichtert, dass Hutton so gute Arbeit geleistet hat.“ Ein Hinterbänkler fügte hinzu: „Ernennt den Mann zum Herzog.“

Blair hätte den Hutton-Bericht selbst nicht besser formulieren können. „Der Vorwurf, dass ich oder irgendjemand anders das Parlament belogen oder die Bevölkerung in Sachen Massenvernichtungswaffen in die Irre geführt hat, ist die wirkliche Lüge“, sagte Blair gestern und sprach eine Warnung an die Medien aus: Pressefreiheit sei schön und gut, aber das Recht auf Kommentare und Kritik ende, wenn „falsche Anschuldigungen“ erhoben würden.

Die Entschuldigung, die Blair vom Oppositionsführer Michael Howard verlangte, bekam er allerdings nicht, so dass er den Tory-Chef anschnauzte: „Dienstag stand das politische Programm auf dem Prüfstand, und er hat versagt. Mittwoch stand der Charakter auf dem Prüfstand, und er hat schon wieder versagt.“ Howard entgegnete, dass die Nation „zu gegebener Zeit ihr eigenes Urteil“ fällen werde.

Die Zeitungen taten das bereits gestern, und die Reaktionen waren gemischt. Am drastischsten war der Independent, der eine weiße Titelseite druckte mit einem einzigen Wort: „Whitewash?“ Die Sun aus dem Hause des australischen Medienzaren Murdoch kritisiert heftig die BBC, ihr reicht der Rücktritt des BBC-Chairman Gavyn Davies bei weitem nicht. Das Blatt, das wegen des Vorabdrucks des Hutton-Berichts selbst Gegenstand einer Untersuchung wird, forderte den Rücktritt der gesamten BBC-Chefetage. „Mehr als ein halbes Jahrhundert lang genossen die BBC-Nachrichten den Ruf, akkurat, ehrlich und unparteiisch zu sein“, schrieb die Sun gestern. „Das ist vorbei. Es wäre obszön, wenn die BBC-Bosse sich hinter Andrew Gilligan verstecken wollten. “ Ein Experte merkte an, dass die BBC immer noch das Vertrauen von 92 Prozent der Bevölkerung genießt. Nur 11 Prozent vertrauen dagegen der Sun.

Bei seinen Kollegen löste Huttons Urteil keine große Überraschung aus. Anthony Scrivener, einer der erfahrensten britischen Juristen, sagte: „Wenn man einen konventionellen, konservativen Richter fragt, ob der Premierminister und andere Regierungsmitglieder lügen, dass sich die Balken biegen, ist das Ergebnis vorhersehbar.“ Ein anderer Lordrichter, der nicht genannt werden wollte, fügte hinzu: „Es gibt Richter im Oberhaus, die liberal und progressiv sind und sich vielleicht mit dem Establishment anlegen – zu denen gehört Brian Hutton nicht.“ Anthony Lester, der für die Liberalen Demokraten im Oberhaus sitzt, sagte: „Ich hoffe sehr, dass der Hutton-Bericht nicht als Signal für Selbstzensur oder Einmischung der Regierung fehlinterpretiert wird. Die BBC und die anderen Medien müssen Meinungen veröffentlichen dürfen, die auf Informationen offenbar verlässlicher Quellen beruhen und deren Veröffentlichung im allgemeinen Interesse ist.“

Der Kommentator Philip Stephens erinnerte in der Financial Times daran, dass die wichtigsten Fragen noch im Raum stehen: „Die Debatte darüber, ob es richtig war, in den Krieg zu ziehen, wird ebenso wenig verschwinden wie die Fragen über die Qualität der geheimdienstlichen Erkenntnisse, auf deren Basis die Entscheidung getroffen wurde.“ RALF SOTSCHECK