Gegen Saddam und den Krieg

Wie Araber in den Cafés von Berlin über den bevorstehenden Angriff der Vereinigten Staaten von Amerika auf den Irak denken

In einem ist man sich einig: Alle sind gegen die Amerikaner. Und gegen die Juden

aus Berlin STEFAN WELLGRAF

„Wenn hier jemand reinkommt, der für den Krieg ist, fliegt er raus.“ Sari Ali sitzt in einem kurdischen Café in der Manteuffelstraße in Kreuzberg. Wie jeden Tag ist der kommende Irakkrieg das wichtigste Gesprächsthema: „Im Inneren bluten wir alle mit, denn es sind Menschen und unsere muslimischen Brüder, die sterben werden.“

Ob zu Hause oder im Café – fast immer läuft der Fernseher mit den neuesten Nachrichten. Manchmal gibt es laute Reaktionen und Streit darüber, ob sich die Türkei am Krieg beteiligen solle oder nicht. Aber in einem Punkt ist man sich hier einig: Alle sind gegen die Amerikaner und gegen die Juden, welche „die Palästinenser ausrotten“. Fast alle gehen regelmäßig zu Friedensdemonstrationen. „Jeder sagt zu jedem: Los, komm mit“, meint der gebürtige Türke Sari Ali, der froh ist, in Deutschland und nicht in den USA oder Großbritannien zu leben.

Auch im arabischen Café „Um Kathum“ in der Sonnenallee in Neukölln, direkt neben einem voll beflaggten amerikanischen Imbiss, schätzt man die deutsche Antikriegshaltung. Hier haben die Gäste gemeinsam die Rede des Bundeskanzlers zur Kriegsankündigung der Amerikaner gesehen. Sie sind stolz auf Schröder. Im Café sitzen nur Männer, fast alle rauchen Wasserpfeife, einige spielen Karten oder gucken Fernsehen.

Die Araber sind gastfreundlich, offen und freuen sich, ihre Meinung zum Irak sagen zu dürfen. Das Café ist für sie ein wichtiger Ort, um über Politik zu streiten. Auch hier sind fast alle gegen den Krieg. „Schreib aber unbedingt, dass wir zwar gegen den Krieg, aber auch gegen Saddam sind“, wiederholt ein aus Palästina stammender Arzt mehrere Male. Er fühlt sich sicher in Deutschland. So eine gute Haltung habe er von den Deutschen noch nie erlebt. Schließlich waren die sonst immer auf der Seite der Amerikaner.

Auch hier nehmen die meisten an Friedensdemonstrationen teil. Manchmal organisieren sie zusätzlich eigene Protestaktionen. So haben fast alle arabischen Vereine zu einer Antikriegsdemonstration am 22. 3. auf dem Kurfürstendamm aufgerufen. Dort wird dann auch gegen den Krieg in Palästina demonstriert werden. Für die meisten Araber gehören der Palästina- und der Irakkonflikt zusammen, im Bewusstsein der meisten Deutschen handelt es sich dabei eher um zwei getrennte Konflikte.

Trotz des Engagements ist der Arzt aus Palästina nicht mit den Friedensaktivitäten seiner Glaubensbrüder zufrieden: „Meistens fehlt das Geld für eine gute Organisation. Außerdem werden wir viel weniger wahrgenommen als die viel kleinere jüdische Gemeinde.“ Die meisten fühlen sich in Deutschland integriert. Radikale Meinungen, die islamischen Terror gegen die USA und Israel gutheißen, würden von ihren Landsleuten nur noch selten offen ausgeplaudert. Auch in den Moscheen sei man vorsichtiger geworden. Die Prediger riefen zwar zu Friedensdemonstrationen auf, doch seit dem Verfahren gegen Milli Görüs seien viele vorsichtiger geworden. Die Moscheen würden vom Verfassungsschutz beobachtet, die eigene Meinung sage man meist nur in persönlichen Gesprächen. Dann aber breche der Hass gegen Amerika und die Juden häufig offen hervor.

Am Nebentisch sitzt ein Syrer. Die anderen erzählen, dass er während des ersten Golfkriegs im Irak war. Dort sei er in einem Bunker gewesen, in den eine amerikanische Bombe einschlug. Es gab über 1.000 Tote. Er habe dann geholfen, diese Toten aus dem Bunker zu schleppen und zu beerdigen. Aber darüber redet er nicht mehr. Er raucht stumm an seiner Wasserpfeife.

Im Café sitzen auch ein paar Iraker. Sie haben einen Extra-Tisch, denn mit den anderen können sie nicht viel anfangen. „Warum wird nie gegen Saddam demonstriert?“, fragen sie aufgebracht. Jassim floh 1979 nach Berlin, nachdem er drei Monate im Gefängnis war. Sein Bruder und einige seiner Freunde wurden von Saddams Geheimpolizei umgebracht: „Sie wurden einfach abgeholt und sind nie mehr wiedergekommen.“ Jassim ist wütend. Wütend auf die anderen Araber im Café, die hier sitzen und gegen den Krieg sind, die aber nie unter Saddam leiden mussten. Wütend auf die Heuchler aus Deutschland, die nichts dafür tun, dass Saddam gestürzt wird. Und er ist wütend auf die Amerikaner, die zwar im ersten Golfkrieg das ganze Land zerstört haben, dann aber die Iraker beim Aufstand gegen Saddam im Stich ließen. 1991 hat er noch gegen den Krieg demonstriert, aber jetzt nicht mehr. Heute Morgen um 6 Uhr hat er mit seinen Eltern im Irak telefoniert. Sie wissen noch nichts vom Ultimatum. Bald werden die Bomben kommen. Er wird ihnen nicht helfen können.