Terroralarm – ein Land sieht orange

In den USA gilt wieder die zweithöchste Alarmstufe. Muslimische Asylbewerber sollen sofort verhaftet werden

WASHINGTON taz ■ In den USA gilt wieder „Code Orange“. Die zweithöchste Terroralarmstufe wurde unmittelbar nach der Kriegsankündigung von Präsident George W. Bush am Montag in Kraft gesetzt. Aus Furcht vor Anschlägen vor und während eines Irakkrieges will das neue US-Ministerium für Heimatschutz das Land gegen Terroristen jedoch zusätzlich rüsten. Sein Chef Tom Ridge rief dazu die „Operation Liberty Shield“ aus. Der „Schutzschild für die Freiheit“ beinhaltet die bislang schärfsten Sicherheitsmaßnahmen nach dem 11. September 2001.

Seehäfen, Brücken, Tunnel, Flughäfen und nationale Denkmäler werden nunmehr rund um die Uhr überwacht. Auf Washingtons Flughäfen werden alle Autos auf dem Abflugparkdeck kontrolliert. Hinter dem Kapitol sind wieder Flugabwehrraketen in Stellung gebracht, der Zugang zum Weißen Haus ist weiträumig gesperrt. In New York werden alle Fahrzeuge abgeschleppt, die vor Kirchen und Synagogen parken. Im Bundesstaat South Carolina wurden sogar Bewährungshelfer abkommandiert, um Atomkraftwerke zu bewachen. Taucher untersuchten im Hafen von Los Angeles die Außenwände von Schiffen.

Doch was als Schutz der Freiheit verkauft wird, verkehrt sich für manche Menschen in Freiheitsberaubung. Das Sicherheitspaket enthält eine Anordnung, nach der künftig Asylsuchende in den USA in Gewahrsam genommen werden sollen, sofern sie aus bestimmten muslimischen Länder einreisen, die auf einer geheimen Liste stehen. Die als zeitlich befristet deklarierte Anordnung wurde am Dienstag in Kraft gesetzt.

Diese Bestimmung nehme den Opfern von Menschenrechtsverletzungen genau die Freiheit, die sie in den USA suchten, sagt William F. Schulz, Geschäftsführer von amnesty international USA: „Eine Operation, die Asylsuchenden die Freiheit verweigert, ‚Freiheitsschild‘ zu nennen, trägt Orwell’sche Züge.“ Scharfe Kritik äußerte auch der demokratische Senator Edward M. Kennedy aus Massachusetts. „Programme, die bestimmte Bevölkerungsgruppen nach Religion, Volkszugehörigkeit oder nationaler Abstammung aussondern, sind falsch, kurzsichtig und gaukeln nur eine Illusion von Sicherheit vor.“

Auf der geheimen Liste stehen nach Informationen der Los Angeles Times 33 Nationen, darunter der Irak, die Palästinensergebiete Gaza-Streifen und Westjordanland sowie fast alle überwiegend muslimischen Länder. Asylsuchende aus diesen Ländern können ab sofort so lange festgehalten werden, bis ihr Fall geklärt ist. Zur Begründung sagte Ridge, er wolle sichergehen, dass der Irak keine als Asylbewerber getarnten Spione ins Land schleust, die Terroranschläge begehen könnten. Ursprünglich hatte die Einwanderungsbehörde mitgeteilt, die neue Anweisung gelte nur für Asylsuchende mit gefälschten Visa. Doch das Heimatschutzministerium bestätigte daraufhin, dass alle Flüchtlinge sofort inhaftiert werden sollten. MICHAEL STRECK