Die hohe Schule des Verstehens

Die dänische Musikerin Susi Hyldgaard singt von Mutter-Kind-Verhältnissen, Ehedramen und all den anderen Gefängnissen des Lebens

Das süße Zuhause. „Within these four walls/ Skin is still folding thoughts into place/ I watch my face as it slowly falls/ Within these four walls“. Die Wohnung als Ort der Geborgenheit. Aber auch als enges, an der Kehle zupackendes Gefängnis. Die immer gleichen Rituale in der immer gleichen Umgebung. Die gleichen Farben, Geräusche, das gleiche Licht. Nur das Gesicht im Spiegel wird älter, zerfällt. Der Rest bleibt.

Auf der dritten CD der dänische Musikerin und Sängerin Susi Hyldgaard liegen Tragik und Komik eng zusammen: „I’m glad/ I’ve known what/ romancing’s like/ with you/ us two/ woo woo woo.“ Um Liebe geht es, um Sex natürlich, um Kindheit und Muttersein. Im Stück „Mummy“ versucht die allein erziehende Mutter ihrer Tochter zu erklären, warum sie auch mal raus möchte, weg, einfach mal alleine sein. Das Mutter-Kind-Verhältnis als Beziehungsdrama, wenn sie singt: „It’s not you/ It’s not the things we do./ Playing family with old Barbies/ Treasure-hunting in my case of jewelries.“ Der 22-Sekunden-Titelsong „Homesweethome“, der dann folgt, ist eine Originalsequenz aus der Hyldgaard’schen Wohnung: eine Küchenszene, weißer Herd, ein Handtuch auf der Arbeitsfläche, eine Plastikschüssel, eine angebrochene Weinflasche, eine Lichterkette. Susi und ihre Tochter lachen zusammen, die Waschmaschine läuft, sie üben Englisch, irgendwas. In diesen Sekunden ist die Welt gut und richtig.

Im letzten Jahr kam Susi Hyldgaard mit Michael Mantlers Adaption des Paul-Auster-Stücks „Hide & Seek“ nach Berlin ins Hebbel Theater. „Hide & Seek“ ist ein alltägliches Ehedrama, wenn Träume zu Staub werden und Worte nichts mehr kommunizieren. Hyldgaards Worte sind die Gedanken der Frau, ihre Erinnerung. Schon 1997 war sie mit Mantler und seiner Produktion „School of Understanding“ in Berlin, ein Jahr nach ihrem Debütalbum „My female family“, für das sie den dänischen Grammy erhielt. Damals war sie mit ihrer Tochter schwanger. Frau sein, Familie sein, ein Fortsetzungsroman in den Texten von Susi Hyldgaard. Sie gilt als Teil der skandinavischen Jazzszene, trotzdem sie in ihrer Musik versuche, so sagt sie, Jazz in eine Art Popformat zu bringen. Und obwohl sie selbst keine Plattensammlerin ist, nie war und deshalb keine Einflüsse nennt außer Debussy und Bach, Keith Jarrett und Bill Evans, klingen in ihrer Stimme oft klassische Folk-Rock-Elemente durch.

Susi Hyldgaard wuchs in New York auf, studierte klassisches Piano, brach dann ab, um Jazz zu machen, und arbeitete als Musikjournalistin im dänischen Radio, ehe sie anfing, Songs zu schreiben. Um Geld zu verdienen, begleitet sie nach wie vor Gesangs-Meisterklassen auf dem Klavier. Sie komponiert auf ihrer Gitarre und begleitet sich auf Konzerten auch mit dem Akkordeon. Bei ihren Auftritten lebt sie ihre Songs, schlüpft in die verschiedenen Rollen: als Liebhaberin oder als Kind mit dem Luftballon. „Just turn the switch/ burn the bitch/ and rise as Brigitte Bardot.“

MAXI SICKERT

Konzert am Samstag, den 22. März um 22.30 Uhr im Quasimodo