Vor dem echten Angriff noch Brot kaufen

Die ersten Einschläge, wissen alle, waren nur der Anfang: Bagdad in Erwartung des amerikanischen Bombenhagels

AMMAN taz ■ Unruhiges Warten auf mehr, so lässt sich die Stimmung in Bagdad am Tag nach den ersten US-Luftangriffen beschreiben. Am Telefon gaben sich viele erleichtert, dass die erste Angriffswelle nicht die erwartete amerikanische Schocktherapie darstellte. Er habe die Sirenen und das Luftabwehrfeuer gehört, aber die weiter entfernten Einschläge der US-Raketen seien nur sehr leise zu vernehmen gewesen, erklärt ein im Zentrum der irakischen Hauptstadt lebender Bekannter.

Nach den Angriffen habe ständig das Telefon geklingelt. Verwandte und Freunde haben angerufen und sich des gegenseitigen Wohlbefindens versichert. Kaum jemand gibt sich der Illusion hin, dass die nächsten Angriffe das Zentrum der Stadt erneut aussparen werden. Am folgenden Morgen war er kurz zum Luftschnappen auf der Straße. Er könne sich frei bewegen, erzählt er.

Eine zunächst von der Regierung angekündigte Ausgangssperre im Falle eines Angriffs wurde nicht durchgesetzt. Die bewaffneten Mitglieder der regierenden Baath-Partei in ihren olivgrünen Uniformen, die nachts die Straßen patrouillierten, wurden im Verlauf des Morgens immer mehr von Menschen abgelöst, die aus ihren Häusern kamen, um in der nächsten Bäckerei Brot zu holen. Bis zu den Mittagsstunden nahm dann auch wieder der Verkehr auf den Straßen zu – Staus gab es jedoch keine.

Auch aus der nördlichen Stadt Mosul vermeldete der dortige Korrespondent der arabischen Fernsehstation al-Dschasira ein relativ normales Straßenbild. Vehement stritt er Berichte ab, wonach sich viele Einwohner sicherheitshalber abgesetzt hätten. Die von der Zentralregierung in Bagdad kontrollierte Stadt liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der kurdischen autonomen Gebiete.

Noch am Vormittag meldete sich der irakische Informationsminister Muhammad Sahaf auf einer Pressekonferenz in Bagdad zu Wort und bezeichnete die US-Regierung als eine „Mörderbande“ bei ihrem vermeintlichen Versuch, durch den ersten Militärschlag hohe irakische Offizielle und möglicherweise gar Saddam Hussein selbst zu treffen. Der war kurz nach den Angriffen im irakischen Fernsehen als Beweis für das Scheitern dieses Versuchs erschienen und hatte eine Rede gehalten (siehe Kasten).

Nach Angaben der irakischen Regierung waren bei den Angriffen im Morgengrauen mehrere leere Gebäude des irakischen Fernsehens und Rundfunks und ein Haus des irakischen Zolls getroffen worden. Dabei soll ein irakischer Zivilist getötet und mehrere verletzt worden sein. Das Rote Kreuz bestätigte den Verlust eines Menschenlebens. Abgesehen von einer Demonstration im Zentrum Kairos, war es zunächst in den arabischen Nachbarländern ruhig geblieben. Ungefähr tausend Demonstranten, viele von ihnen Studenten der Amerikanischen Universität in Kairo, versuchten in den Mittagsstunden zur nahe gelegenen US-Botschaft zu marschieren. Sie wurden von einem massiven Polizeiaufgebot aufgehalten. Dagegen war es in Jordanien in unmittelbarer Nachbarschaft des Irak ruhig geblieben. „Erst das ganze Gerede von Schocktherapie, und dann fliegen nur ein paar Raketen hin und her“, sagt Tarek der Taxifahrer, der eigentlich in der ersten Kriegsnacht einen ersten massiven US-Militärschlag erwartet hatte. Wie überall in der jordanischen Hauptstadt Amman lief auch in seinem Auto ständig das Radio.

Auch beim Reifenhändler, der einigen Passanten bei strömendem Regen kurz in seinem Laden Unterschlupf gewährt, läuft das Transistorgerät, und alle lauschen gespannt den neuesten Analysen und Ereignissen aus dem Nachbarland. „Es ist beschissen und kann nur noch beschissener werden“, wirft der Reifenhändler in die Runde. Alle nicken. „Aber was soll’s“, fügt er hinzu, „wir können ohnehin nur ohnmächtig zusehen.“

KARIM EL-GAWAHRY