Chirac widmet sich der Nachkriegszeit

Zahlreiche Regierungen weltweit kritisieren den Beginn der US-Angriffe. Kofi Annan appelliert an Kriegsparteien

PARIS/MOSKAU/HAMBURG taz/afp/dpa ■ Das Stichwort „USA“ und den Namen „Bush“ hat Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac sorgfältig vermieden, als er gestern Vormittag vor die Mikrofone trat. Seine kurze Ansprache an die Nation richtete sich an die internationale Gemeinschaft.

Chirac, der bis zuletzt auf die Mission der UN-Inspektoren gesetzt hatte, erklärte: „Frankreich bedauert den Beginn der militärischen Operationen im Irak, die ohne Billigung der UNO stattfinden.“ Er kündigte an, dass sie „schwerwiegende Konsequenzen“ haben werden – und drückte die Hoffnung aus, dass sie „so schnell wie möglich“ und ohne „humanitäre Katastrophe“ zu Ende gingen.

Über Auswirkungen des Krieges auf die transatlantischen Beziehungen sprach Chirac nicht. Ebenso wenig über mögliche Kriegsszenarien in den kommenden Tagen. Er konzentrierte sich auf die Nachkriegszeit. Zwei Organisationen stellte er in deren Mittelpunkt: die UNO und die EU. Die UNO ist nach seinem erklärten Willen der „einzige Rahmen, um den Frieden im Irak und anderswo“ aufzubauen. Zu diesem Zweck schlägt er ein Treffen des Weltsicherheitsrates vor. Für die EU wiederum sei, so Chirac, die wichtigste Lehre die „Notwendigkeit einer gemeinsamen Verteidigung“. „Im Namen Frankreichs“ rief er die gegenwärtigen und künftigen EU-Mitglieder auf, diese gemeinsame europäische Verteidigung aufzubauen.

Ein paar Stunden später übersetzte Regierungschef Jean-Pierre Raffarin die präsidentiale Botschaft in einen Arbeitsauftrag an seine MinisterInnen. „Seid wachsam“, forderte er sie auf, „erklärt und rechtfertigt die französische Position“ und: „Sorgt für den nationalen Zusammenhalt!“ Offene Worte der Kritik an den USA kamen hingegen von PolitikerInnen aus der linken Opposition. Sie sprachen von einem „Angriffskrieg“ und einem „Bruch des Völkerrechtes“ und riefen zu Protesten auf. In New York bedauerte UN-Generalsekretär Kofi Annan den Beginn des „dritten Irakkrieges in einem Vierteljahrhundert“ und stellte die Rechtmäßigkeit des US-Angriffs in Frage. Gleichzeitig appellierte er an die Kriegsparteien, die Zivilbevölkerung zu schützen.

Die meisten Regierungen äußerten sich enttäuscht und bestürzt. Der russische Präsident Wladimir Putin verurteilte den Krieg als einen „schweren politischen Fehler“ und forderte ein schnelles Ende der militärischen Gewalt.

China, Schweden und Iran sprachen von einem Verstoß gegen internationales Recht. Die Arabische Liga reagierte mit „großem Bedauern“ auf die Angriffe. Die palästinensische Autonomiebehörde forderte die USA auf, den Krieg gegen den Irak sofort zu beenden. Der Vatikan nahm den Kriegsbeginn mit „tiefer Trauer“ auf.

In den Reihen der Kriegsbefürworter bekräftigten Großbritannien, Spanien, Japan, Polen, Bulgarien, Ungarn, die Niederlande und Südkorea ihre Unterstützung für das Vorgehen der USA. DORA