Zeitbiege

Hosen, die im Takt der Schwingung schlackern: Entdeckung der Langsamkeit im Freizeitheim

Natürlich kann man nicht zum Beispiel langsamer schlafen, um Zeit zu gewinnen. Aber das Bewusstsein davon lässt sich verändern. Denn Rhythmus macht Zeit begreifbar. Entschleunigt man melodische Strukturen und füllt die Zwischenräume mit Geräusch, scheint Zeit langsamer zu vergehen. Drei Bands, die dieses für sich als Prinzip entdeckt haben, spielten am Donnerstag in der Friesenstraße.

In sinnvoller Abfolge: „Shepherd“ spielten vergleichsweise flott. Sie arbeiten sich am Erbe von „Saint Vitus“ ab, die ihrerseits die Essenz von „Black Sabbath“ formuliert hatten: Rock in einem engeren Sinne, liebevoll auf die Bretter gelegt. Danach Joe Preston.

Mit „Earth“ für extreme Langsamkeit bekannt geworden, später Bassist der „Melvins“ – heute arbeitet er als „Thrones“. „Hi, wir sind die Thrones“, sagte er, als er, allein mit Bass, die Bühne betrat. Preston zerdehnt Rockmusik sehr effektiv, teils in immer noch komplexerer Form.

In seinen elektronischen Stimmverfremdungen flehen Engelschöre und Roboter, gemeinsam über einem brachialen Bass-Fundament. Groß, aber nicht langsam genug für die transzendentale Erfahrung der Zeitverbiegung.

Man musste auf „Sunn O)))“ warten, die gehüllt in Jedi-Ritter-Kapuzenmäntel einen Strom sonischer Lava generierten, in dem Rock fast zum Stillstand und somit um sein Rock-Sein gebracht wurde. Sound, in seiner Struktur hörbar gemacht, begann, sich mählich in- und gegeneinander zu verschieben, Hosen schlackerten im Takt der Schwingungen. Ein körperliches Ereignis, dessen erhabene Lautstärke unabdingbar für den Effekt ist.

Laut Greg Anderson, der einen Hälfte von „Sunn O)))“, verbringen Besucher ihrer Konzerte die Show oft auf dem Boden liegend: mehr Frequenz, mehr Wirkung. In diesem Sinne eines der mitreißendsten Konzerte der letzten Monate.

Andreas Schnell