„Es gibt nichts zu feiern!“

Vor 50 Jahren wurde die Obdachlosenorganisation Emmaus gegründet. Schon 1959 begann die Gemeinde ihre Arbeit in Köln. Am Wochenende zog sie mit Obdachlosen vor das noble Hyatt-Hotel

von Ingrid Bäumer

Ein kleiner Ofen vor dem Rednertisch heizt gegen die Kälte an, der Wind rüttelt an den Wänden des alten Pfadfinderzeltes. An diesem stürmischen Samstagabend haben sich Mitglieder und Förderer von Emmaus e.V. und Obdachlose neben dem Luxushotel Hyatt versammelt. Sie wollen, zeitgleich mit über 400 Gruppen weltweit, an die Gründung vor 50 Jahren erinnern. „Wir fordern: Jeder sollte das Nötigste zum Leben bekommen, und jeder sollte ein eigenes Zimmer haben“, appelliert Günther Bornefeld, Vorstandsmitglied des Trägervereins Emmaus-Köln. Der Verein besteht in Köln schon seit 45 Jahren.

Im Emmaus-Wohnhaus in Longerich hat jeder der 15 Bewohner ein eigenes Zimmer. Es sind ehemalige Obdachlose, Alkohol- und Drogenabhängige oder Ex-Inhaftierte. Wer hier leben möchte, verpflichtet sich, für Unterkunft, Verpflegung und wöchentlich 40 Euro Taschengeld im Betrieb mitzuarbeiten. Während seiner Mitarbeit lässt er seinen Anspruch auf Sozialhilfe gegenüber dem Staat ruhen. Dahinter steckt die Idee, nur von dem zu leben, was man selbst erarbeitet hat. Morgens um Viertel nach 8 beginnt der Arbeitstag der Bewohner: Möbel, Bücher, Elektrogeräte und Hausrat abholen, sortieren, reparieren und verkaufen. Die Verkaufsräume in der Geestemünder Straße 42 sind gepflegt und großzügig angelegt. Mittwoch abends verteilen Mitarbeiter und Ehrenamtler am Appellhofplatz warme Suppe.

Willi Does lebt seit 21 Jahren als „Responsable“ (französisch für „Verantwortlicher“) in der Emmaus-Gemeinschaft. „Als ich Mitte 20 war, wollte ich neue Wege des Zusammenlebens ausprobieren.“ Mittlerweile wohnt er mit Ehefrau Pascale, Kindern und 16 Mitarbeitern im Longericher Haus. „Ich bin kein Almosen-Verwalter, sondern leite ein soziales Unternehmen. Wir sind finanziell autark und die Mitarbeiter können stolz auf ihre Leistung sein.“ Auch Willi Does muss mit 40 Euro Taschengeld auskommen – diese Gleichbehandlung geht auf den französischen Kapuzinermönch Abbé Pierre zurück. Dessen Radio-Aufruf war die Geburtsstunde der internationalen Emmaus-Bewegung. „Helft, meine Freunde! Eine Frau ist eben auf dem Bürgersteig des Boulevard Sebastopol erfroren ... Bringt eure Gaben und Spenden ins Hotel Rochester!“ So begann im Nachkriegsfrankreich der „Aufstand der Güte“. Geld, Kleidung und Möbel kamen in Mengen. Aus dem Startkapital entwickelte sich eine internationale Hilfsorganisation, die statt von Geld überwiegend von guten Taten und Sachspenden lebt.

„Trotz des Jubiläums gibt es keinen Grund zum Feiern“, sagt Does. Er berichtet von zunehmender Gewalt gegen Menschen ohne feste Bleibe, auch in Köln. „Im Bahnhof wurden Obdachlose von Sicherheitsleuten vertrieben und verprügelt – nur konnten sie es im Nachhinein gegenüber der Polizei nicht beweisen.“

Dagegen setzt Emmaus Köln auf mehr Solidarität – auch international. Besuche in Polen, Holland, Italien und Spanien sind schon Tradition. Diesen Sommer ist in Köln ein zweiwöchiges „Workcamp“ geplant.