Ganz Italien protestiert

In 85 Städten demonstrieren die Menschen gegen den Krieg. Pfarreien läuten die Totenglocke. Weitere Aktionen sind geplant

aus Rom MICHAEL BRAUN

Zu massiven Protesten im ganzen Land sofort nach Bekanntwerden der Nachricht vom Kriegsbeginn hat die italienische Friedensbewegung mobilisiert. Schon am Donnerstagmorgen wurden zahlreiche Schulen und Betriebe bestreikt, fanden überall spontane Demonstrationen statt. In Mailand folgten etwa 150.000 Menschen dem Aufruf der Gewerkschaften und der Friedensbewegung. Ihr Demonstrationszug vereinte sich auf dem Domplatz mit zehntausenden Schülern.

Ähnliche Zahlen wurden aus Turin gemeldet, wo die Arbeiter der Fiat-Werke sofort in den Ausstand getreten waren. Protestierer besetzten den Bahnhof und brachten den Zugverkehr zum Erliegen. Am Abend dann trafen sich laut Polizei über 100.000 Menschen zu einem Fackelzug. In Genua brach der Verkehr zusammen, da schon vormittags zehntausende Menschen im Zentrum zusammenströmten.

Verliefen dort die Proteste friedlich, so wurden aus Venedig in der Nacht des US-Angriffs Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gemeldet: Einige hundert Personen hatten das dortige Konsulat Großbritanniens belagert. Als Angehörige der Bewegung der „Ungehorsamen“ Steine und Farbbeutel gegen das Gebäude schleuderten, ging die Polizei mit Schlagstöcken gegen sie vor. Am Vormittag besetzten dann 200 Arbeiter den bei Venedig gelegenen Hafen von Porto Marghera.

In Rom legten die Studenten der drei staatlichen Universitäten sofort den Vorlesungsbetrieb lahm, blockierten die Bahnhöfe und die großen Zufahrtstraßen. Zahlreiche Schüler blockierten zugleich mit einem Sit-in in der Nähe der US-Botschaft den Verkehr. Am Abend dann trafen sich 100.000 Menschen zu dem Fackelzug, zu dem Bürgermeister Walter Veltroni aufgerufen hatte. Weitere 50.000 Menschen nahmen an der Demo der „Ungehorsamen“ und der Basisgewerkschaften teil. Sie isolierten die US-Botschaft symbolisch mit einer Mauer aus Strohballen. Insgesamt zählte die Polizei Demonstrationen in 85 Städten.

Eine massive Beteiligung meldeten die drei großen Gewerkschaftsbünde auch für den zweistündigen Streik, zu dem sie am Donnerstagnachmittag aufgerufen hatten. Die Kirchen beteiligten sich ebenfalls am Protest: Hunderte Pfarreien im Land läuteten die Totenglocke.

Auch gestern gingen die Proteste weiter; vor allem Schüler und Studenten demonstrierten in zahlreichen Städten. Durch das Stadtzentrum Roms zogen zehntausende Bauern, die kurzerhand ihre lange geplante Demo zum Protest gegen den Krieg umgewidmet hatten. Für den heutigen Nachmittag haben die Parteien der Mitte-links-Opposition zu einer Großkundgebung in der Hauptstadt aufgerufen. Voraussichtlich am nächsten Samstag soll, ebenfalls in Rom, die nationale Demonstration der italienischen Friedensbewegung stattfinden.