Der Kommissar, den in Nürnberg jeder mag

Finanzvorstand Weise hat gute Chancen auf die Gerster-Nachfolge – ob er nun gegen den Chef intrigiert hat oder nicht

Frank-Jürgen Weise kann zuhören. Er sieht dem Gegenüber konzentriert in die Augen, kein Muskel rührt sich in seinem Gesicht – und dann lächelt er plötzlich kurz, sehr kurz, aber genau passend zum Gesprächsverlauf. Es ist ein breites Grinsen, und es wirkt immer wie gewünscht. Jeder fühlt sich verstanden vom Finanzvorstand der Bundesagentur für Arbeit.

Frank Weise ist beliebt. Im Verwaltungsrat der Bundesagentur sind sie alle für ihn. Die Arbeitgeber, die Gewerkschaften und die Vertreter der öffentlichen Hand. Sie alle haben das Gefühl, dass er sie ernst nimmt und ihnen ihre größte Sorge abnehmen will – nochmals in den Medien vorgeführt zu werden wegen angeblich falsch vergebener Beraterverträge. Sie trauen ihm, wenn er versichert, dass das interne Controlling besser wird.

Gerade haben sie ihn wieder massiv verteidigt. Weise habe sie immer korrekt informiert. Alles Unsinn, dass er Details zurückgehalten haben soll, die Florian Gerster hätten entlasten können. Der ehemalige Agenturchef wurde letzte Woche entlassen, obwohl eigentlich alle Beraterverträge korrekt abgewickelt wurden – wie sich nun herausstellt. Seither leitet Weise kommissarisch die Geschäfte, bis endgültig ein Nachfolger gefunden ist. Und immer wieder kursiert das Gerücht, dass Weise selbst dieser neue Agenturchef sein könnte.

Der 52-Jährige weiß, wie man für sich wirbt – und tut es geschickter als sein Exchef. Gerster warb direkt und brachial. Er wollte die anderen zwingen, ihn als unentbehrlichen Vordenker anzuerkennen. Aber Besserwisser waren schon auf dem Schulhof unbeliebt. Weise hingegen wirbt, indem er um die anderen wirbt. Es gefällt den 90.000 Beschäftigten in den Arbeitsämtern, wenn sie im Fernsehen erleben, wie ihr Interimschef zerknirscht gesteht, dass die „Mitarbeiter bisher nicht erreicht“ wurden. Dass sie mitgenommen werden müssten bei den Reformen und dass „Vertrauen zu schaffen“ sei. Gerster hingegen hat nie begriffen, wie wichtig es ist, dass die Untergebenen sich wichtig fühlen.

Gerster hatte auch keinen Sinn für Symbole. Bis zum Schluss wohnte er in Nürnberg im Hotel Hilton – auf eigene Kosten, aber darum ging es gar nicht. Nur der neureiche Gestus blieb haften. Weise hingegen mietete die Villa, in der schon Vorgänger Bernhard Jagoda residiert hatte, und führte dort sein Familienleben mit Frau und zwei Kindern.

Weise und Gerster kennen sich noch von der Bundeswehr her. Weise verpflichtete sich für zwölf Jahre, studierte nebenher Betriebswirtschaft und wechselte in die freie Wirtschaft. Erst arbeitete er bei kleineren Betrieben, war dann bei FAG Kugelfischer fürs Personal zuständig, bevor er die Firma Microlog mit gründete, die mit etwa 200 Beschäftigten 270 Millionen Euro umsetzt. Ob als Kompaniechef oder Unternehmensgründer – immer hat Weise andere geführt. Dieses Wissen hilft, einen Skandal zu überleben, der eigentlich keiner ist. ULRIKE HERRMANN