Kleine Brötchen statt dicker Rosinen

Trotz des 1:0-Siegs gegen Burghausen: Union befindet sich im Abstiegskampf. Erste Kritik an Trainer Votava kommt auf. Doch egal ob er den Klassenerhalt schafft und das Team in der 2. Bundesliga bleibt: Der Verein muss abspecken

„Die Abstiegsfrage entscheidet sich am letzten Spieltag“

Union befindet sich in einer verzwickten Lage. Der Fußballklub aus Köpenick will seine kühne Vision, nämlich den Aufstieg in die Bundesliga, einholen, ohne von der tristen Realität in der 2. Liga überholt zu werden. Das fällt immer schwerer: Vor dem Sonntagsgastspiel im bayerischen Burghausen lagen die Berliner auf dem letzten Platz vor der Abstiegszone und die Nerven blank. Mit dem 1:0-Sieg können die Köpenicker zwar wieder aufatmen, es wird aber wohl nur eine kleine Atempause werden.

„Der Abstiegskampf hat be- gonnen“, hatte Präsident Heiner Bertram nach der 0:3-Heimniederlage am Vorwochenende gegen den 1. FC Köln eingestehen müssen. Nach acht sieglosen Partien in Folge lässt sich das noch vor wenigen Wochen als Fabelwesen verspottete Abstiegsgespenst auch nach dem Sonntagsspiel nicht länger ins Abseits stellen. Unions-Trainer Mirko Votava gerät zunehmend in die Kritik. Die Fans murren, so mancher wünscht sich den im Oktober vorigen Jahres gefeuerten Bulgaren Georgi Wassilev zurück. Auch in der Mannschaft werden Zweifel an Votava laut. Mal lässt der Otto-Rehhagel-Schüler mit moderner Viererkette verteidigen, dann wieder setzt der system-flexible Coach auf einen traditionellen Libero. Wenigstens die Torwart-Rotation hat Votava inzwischen ad acta gelegt. Beide Keeper waren darüber zu Nervenbündeln geworden. „Ein netter Kerl, aber ein Großer wird der nicht“, urteilt ein Union-Profi.

Unruhige Zeiten also in Köpenick. Präsident Bertram stärkt dem Trainer zwar den Rücken: „Er ist hoch motiviert.“ Es gibt aber beeindruckendere Bekenntnisse für einen leitenden Angestellten. Votava versucht sich auf den Rasen zu konzentrieren. „Die Abstiegsfrage wird erst am letzten Spieltag entschieden“, befürchtet und hofft der gebürtige Prager.

Müsste Union runter in die Regionalliga, würde der Club um Jahre zurückgeworfen werden. Der Etat müsste von aktuell 7,6 Millionen auf magere 2 Millionen Euro zusammengestrichen werden. Die in den vergangenen Erfolgsjahren aufgebauten professionellen Strukturen würden die sportliche Katastrophe zudem nicht überleben.

Selbst ein Verbleib im Bundesliga-Unterhaus verheißt kein fettes Spieljahr 2003/ 2004. Um 1,1 Millionen Mark soll der Haushalt beim Klassenerhalt auf 6,5 Millionen Euro abgespeckt werden. Dass dies nicht im Sinne des Erfinders wäre, verrät Bertrams gespreizt wirkende Diktion: „Die derzeitige Politik ist nicht unser Vorbild.“

Aber Kirch-Pleite und Wirt- schaftsflaute haben auch das Vereinsschiff der „Eisernen“ in schwere See manövriert. Ein Hauptsponsor ist noch nicht gefunden. „Wir arbeiten daran“, verkündet Unions Vizepräsident Bernd Hofmann seit Monaten. Die Verhandlungen mit der Berliner Stadtreinigung BSR (die bislang 750.000 Euro pro Saison gezahlt haben soll) über eine Vertragsverlängerung ziehen sich in die Länge. Wegen der Hängepartie im Klassen-Kampf mangelt es an Planungssicherheit.

Schatzmeister Armin Friedrich reklamiert einen Wettbewerbsnachteil für Union. „Ein nennenswerter Kapitalstock in Form von Finanzwerten ist nicht vorhanden. Das macht das Geschäft sehr schwierig“, erklärt der Steuerberater. Während andere Klubs über Betriebsbeteiligungen oder Marketing-kompatible VIP-Logen verfügten, könne der DDR-Pokalsieger von 1968 nicht einmal „sein“ Stadion in der Wuhlheide in Eigenregie vermarkten.

„Ohne eigenes Stadion“, befürchtet Präsident Bertram, „ist Union im Profigeschäft noch zwei Jahre überlebensfähig.“ Deshalb arbeitet Union an einem Finanzkonzept, um die marode Arena vom Land Berlin zu übernehmen – am besten für einen symbolischen Kaufpreis von einem Euro. Doch in der Regionalliga könnte sich der Klub eine „freundliche Übernahme“ der landeseigenen Immobilie wohl sparen. JÜRGEN SCHULZ