Steuertrickser Worldcom

Gutachter im Bilanzskandal um den Telekom-Riesen erhebt neue Vorwürfe gegen Exchef und Wirtschaftsprüfer. US-Regierung unterstützt das Unternehmen schon wieder

NEW YORK taz ■ Richard Thornburgh zeigte sich entsetzt: Offenbar haben die Verantwortlichen bei der unter Gläubigerschutz stehenden Skandalfirma Worldcom immer noch nicht genug von halbseidenen Machenschaften. In einem 542-Seiten-Bericht für das New Yorker Insolvenzgericht beschreibt der ehemalige Generalstaatsanwalt als Hauptprüfer des Telekom-Riesen, wie Worldcom nun 100 bis 350 Millionen US-Dollar Steuern sparen will – angeblich mit dem Einverständnis ihres Wirtschaftsprüfers KPMG. KPMG bestreitet den Vorwurf des möglichen Steuerbetrugs empört. Die beanstandete Taktik werde oft von Firmen mit Tochterfirmen in verschiedenen Staaten angewandt.

Worldcom hatte von ihren Tochterunternehmen Nutzungsgebühren in Höhe von 20 Milliarden Dollar verlangt. Damit sollte die „hervorragende Voraussicht“ des Top-Managements belohnt werden. Weil die Kosten vom Gewinn abgezogen werden können, spart Worldcom Steuern in Millionenhöhe. Nur: Wer kann ernsthaft behaupten, das Top-Management von Worldcom hätte eine besonders gute Einschätzungsfähigkeit bewiesen, nachdem der Telekom-Konzern so grandios Pleite gegangen ist? 14 Staaten haben Worldcom bereits mit einer Gerichtsklage wegen Steuerbetrugs gedroht, falls es keine schnelle Einigung gibt.

Trotzdem geht es mit Worldcom wieder aufwärts. Fast zwei Jahre nachdem das Unternehmen Verluste in Höhe von 11 Milliarden Dollar verheimlicht hat und für den größten Bilanzbetrug in der US Wirtschaftsgeschichte verantwortlich gemacht worden ist, soll es nun aus dem Gläubigerschutz entlassen werden. Schon im kommenden Monat sollen die Aktien unter dem neuen Namen MCI wieder an der Börse gehandelt werden. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange: In den nächsten Wochen wirft Worldcom 1.700 Beschäftigte raus, 25.000 sind bereits entlassen.

Auch die US-Regierung unterstützt die Skandalfirma: Vor sechs Monaten war sie von der Liste der Unternehmen gestrichen worden, die für die Regierung arbeiten dürfen. Seit einem Monat ist sie wieder dabei. Angeblich hat sie sich schnell die richtige Ethik angeeignet und Kontrollen eingebaut. Bereits vor einem Jahr erhielt sie den millionenschweren Auftrag, den Handy-Service im Irak aufzubauen.

Selbst die Bestrafung für die Bilanzfälschung fiel milde aus. Nur 750 Millionen Dollar bekommen geschädigte Aktionäre und Anleihenbesitzer, deren Anteile einst einen Gesamtwert von 180 Milliarden Dollar hatten. Wenn Worldcom aus dem Insolvenzverfahren herauskommt, werden die Schulden von 41 auf 5 Milliarden Dollar schrumpfen.

Enttäuschung macht sich allerdings bei der Konkurrenz breit. Unternehmen wie ATT und Verizon haben dafür plädiert, Worldcom zu zerschlagen. Sie sehen in der drastischen Schuldenreduzierung und den Vorteilen des Insolvenzverfahrens eine Belohnung für kriminelles Vorgehen. Steuergelder seien besser angelegt, wenn Worldcom keine Regierungsaufträge mehr bekäme. Im Gegensatz zu Arthur Anderson und Enron würde Worldcom mit Samthandschuhen angefasst. Es sei höchste Zeit, durchzugreifen.

Das findet auch Thornburgh. In seinem Bericht rät er Worldcom, den ehemaligen Chef Bernard Ebbers in die Verantwortung zu nehmen. Dieser habe seine treuhänderische Pflicht verletzt, als er 950.000 Aktien von 22 wertvollen Erstemissionen mit einem Gewinn von 12,8 Millionen von der Investment Bank Salomon Smith Barney annahm. Die Bank habe von Worldcom dafür 100 Millionen Dollar Investment-Banking-Gebühren kassiert. Bis jetzt hat nur der Staat Oklahoma Klage gegen Ebbers eingereicht.

HEIKE WIPPERFÜRTH