„Nehmt den Kindern die Angst“

Schulsenator Klaus Böger (SPD) fordert Berliner Lehrer auf, den Krieg im Unterricht zu thematisieren. Dass Schüler für den Frieden demonstrieren, findet er „okay“. Solche Proteste könnten aber nicht an jedem Schultag stattfinden

taz: Herr Böger, rechnen Sie mit einer Fortsetzung der Schülerdemonstrationen gegen den Irakkrieg?

Klaus Böger: Ich gehe davon aus, dass sich die Schulen in anderer Art und Weise mit dem Krieg beschäftigen.

Haben Sie diesbezüglich Vorgaben gemacht?

Man kann für außerordentliche Ereignisse keine Vorgaben machen. Was ich strikt ablehne, ist, Schüler zur Teilnahme an Demonstrationen – jedweder Art – zu verpflichten. Aber in Deutschlands Bildungspolitik gibt es Schlimmeres, als dass Schüler gegen einen Krieg auf die Straße gehen. Das ist ein ziviles, demokratisches Verhalten, das vollkommmen okay ist, wenn es abgewogen und bewusst geschieht. Aber das kann natürlich nicht jeden Tag geschehen.

Einige Schulleiter tolerieren die Abwesenheit vom Unterricht, andere wollen sie als unentschuldigte Fehlzeit im Zeugnis vermerken. Das ist doch ungerecht.

Das müssen die Schulen selbst entscheiden. Ich habe aber den Eindruck, dass die Schulen generell sehr flexibel mit der Frage umgehen. Es wird bestimmt auch Schulen geben, die die Fehlzeit als entschuldigt werten, weil das handlungsorientierter Unterricht war.

Sie werden also keine Anweisung erteilen, von Sanktionen abzusehen?

Richtig, denn ich bin davon überzeugt, dass die Schulleiter und Schulleiterinnen das Angemessene tun.

Was würden Sie an der Stelle eines Rektors tun?

Ich würde es meinem Kollegium freistellen, aber sagen: Sprecht mit den Schülern. Nehmt vor allem Kindern die Angst. Erklärt Ihnen, was Krieg ist, wie sehr Bilder lügen können, versucht aber auch die Position derjenigen zu erklären, die diesen Krieg führen. Schülern im Gymnasialalter hätte ich freigestellt, zu demonstrieren.

Haben Sie selbst mal wegen einer Demonstration die Schule geschwänzt?

Das war 1964/65, kurz vor meinem Abitur in meiner Heimatstadt Lauterbach. Mir wurde sogar geraten abzugehen, nachdem ich bei einer Versammlung der NPD lautstark demonstriert und diese fast gesprengt habe.

Wie ging die Sache aus?

Ich habe mich vor einer Konferenz rechtfertigen können. Ein Lehrer, der CDU-Mitglied war, hat mich unterstützt.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE