„Polizei ist eigentlich nur ein Vorwand“

Armin Rohde ist zum ersten Mal im Fernsehleben Kommissar (Nachtschicht, 20.15 Uhr, ZDF). Ein Gespräch über Polizeifilme, Pop und Klischees

Interview JAN FREITAG

Primetime ist Crimetime. Neue Fernsehserien handeln fast immer von Verbrechern. Da macht auch das ZDF mit „Nachtschicht“ keine Ausnahme. Aber mit so ziemlich allem anderen: Jede „Nachtschicht“ handelt nur von ebendieser. 12 Stunden im Leben einer Kripo-Abteilung, in mehr als loser Folge. Nur zwei Schichten sind pro Jahr geplant. In der ersten Folge „Amok“ (Regie: Lars Becker) zeigen vier BeamtInnen das Paarverhalten eines Hamburger Reviers – zwei Männer (Armin Rohde, Ken Duken) zwei Frauen (Katharina Böhm, Minh-Khai Phan-Thi), zwei hübsch, zwei reif.

taz: Herr Rohde, warum eignet sich die Polizei so sehr für den Film?

Armin Rohde: Es ist ja nicht der normale Alltag von Polizisten zu sehen, die im Ein-Finger-System Protokolle schreiben. Was das Thema als Sujet interessant macht, sind die Situationen, in denen wir uns wegdrehen. Das, wovor wir Angst haben, übt eine große Faszination aus. Die Leute sehen gerne bei Sachen zu, die sie in der Realität am liebsten meiden.

Gut, aber noch ein Polizeiteam im deutschen Fernsehen – war das nötig?

Die Polizei ist eigentlich nur ein Vorwand für Regisseur Lars Becker, Menschen zu zeigen und mit ihnen zu arbeiten.

Und etwas weniger pathetisch ausgedrückt?

Es ist eine dankbare Vorgabe, sich in Grenzbereichen gesellschaftlichen Miteinanders zu bewegen und darin Figuren zu entwickeln. Das Genre ist ein guter Vorwand, um eigenartigen Gestalten zuzugucken.

Wobei?

Da ist ein Fall zu lösen, aber irgendwie ist noch was anderes im Busch.

Soso. Und was ist das Besondere an „Nachtschicht – Amok“?

Die eigenartige Atmosphäre, hochkarätig besetzt auf allen Positionen. Mir fällt kein Prädikat ein. Für mich entsteht das Besondere durch die Kombination der Leute, die da arbeiten, diese Melange.

Da darf die Handlung schon mal ins Absurde abgleiten?

Wir drehen ja keinen Dokumentarfilm. Die Dramaturgie eines Spielfilms ist die des täglichen Lebens, denn das übertreibt ständig. Das Besondere hier ist, dass all die Merkwürdigkeiten in einer Nacht zugelassen werden und dabei nicht grundsätzlich unwahrscheinlich sind.

Zum Beispiel wenn der Entführer mit den Entführten in netter Runde ein Frage- und-Antwort-Spiel spielt.

Genau. Opfer solidarisieren sich oft mit ihren Entführern, um sich von der Objektrolle zu subjektivieren. Dass es da fast zu kaffeekränzchenartigen Situationen kommen kann, ist belegt. Nur, wer das dann sieht, fragt sich schon: Kann das so sein? Aber es kann.

Und zwar am besten mit schnellen Schnitten, bunten Farben, flotter Musik. Ist das schon der Versuch des ZDF, den Altersschnitt der Zuschauer zu senken?

So zielgruppengerecht ist es wohl nicht gedacht. Ich glaube, da gab es keine Gespräche, in denen es hieß: Mach doch mal was für Jüngere. Der Film schreckt ja auch Ältere nicht ab. Er hat aber eine Ästhetik, die vor fünf, zehn Jahren im ZDF nicht üblich war.

Für wen spielen Sie denn?

Die Frage stelle ich mir nicht. Hier noch ein Witz für die 15-Jährigen, da einer für die 85-Jährigen – wenn ich so anfange, würde ich meine Authentizität verlieren.

Welchen Einfluss hat denn Armin Rohde auf seine Rolle?

Großen. Gerade weil der Autor bei „Nachtschicht“ gleichzeitig der Regisseur ist, steht längst nicht alles im Drehbuch. Vieles ergänzt sich im Arbeitskontext, und man hat alle Freiheiten der Welt.

Bei aller Improvisation arbeitet der Film dennoch mit Klischees.

Das Leben ist ja voll davon. Ohne solche Trittsteine über den Fluss, die jeder kennt, ist doch gar nicht auszukommen. Es gibt kaum Filme, die es ohne Klischees schaffen. „Pulp Fiction“ ist so einer. Seitdem muss man Filme anders drehen. Aber gar keine – ich weiß nicht.

Musste es denn gleich ein Team aus bildhübschem Charmeur, kämpferischer Viva-Asiatin, smarter Powerfrau und alterndem Desperado sein?

Ich wünsche mir auch eine Besetzung, die niemand erwartet, aber funktioniert. Ich glaube, dass der Zuschauer Überraschungen nicht liebt. Er will in seinen Erwartungen bis zu einem gewissen Punkt bestätigt werden, sonst ist er nicht bei der Stange zu halten. Er findet schon noch genug Unerwartetes. In 100 Filmen gelingt der andere Weg ein-, zweimal. Und da gibt es nicht nur handwerkliches Geschick, sondern diese kleine Prise Goldstaub. Aber das kann man sich nur schwer vornehmen.

Warum wird es eigentlich nur zwei Folgen im Jahr geben?

Besser die Leute fragen, ob es nicht noch eine Folge gibt, als dass sie sagen: „Können die nicht endlich aufhören?“ Nach sechs Filmen sind die Figuren durcherzählt. Und wenn ich etwas hasse, dann mich zu wiederholen.