Unfair sind immer die anderen

IG Metall setzt Warnstreiks fort. Kompromiss nicht in Sicht. Gewerkschafts-Experte ist überrascht über die „harte Konfrontationsstrategie“ der Arbeitgeber

BERLIN taz ■ IG-Metall-Chef Jürgen Peters hat im Tarifstreit der Metall- und Elektroindustrie von den Arbeitgebern ein „faires Verhandlungsangebot“ gefordert. „Jetzt sollte ein Angebot auf den Tisch, das einen Kompromiss ermöglicht und nicht den Konflikt provoziert“, sagte Peters. „Wir wollen keinen Arbeitskampf“, betonte Peters am Samstag vor über 1.000 Gewerkschaftern in Recklinghausen. Die IG Metall werde aber keiner Auseinandersetzung ausweichen, wenn die andere Seite sie aufzwinge.

In den nächsten Tagen sollen die Warnstreiks unter anderem in Nordrhein-Westfalen und im Bezirk Küste fortgesetzt werden. Zudem stehen heute in Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie am Donnerstag in Baden-Württemberg Verhandlungen an. Dabei sehen die Arbeitgeber keinen Anlass für ein neues Angebot. „Die IG Metall ist am Zug“, sagte Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser. Er erwarte eine konkrete Antwort auf das vorgelegte Lösungspaket. „Eine pauschale Zurückweisung hilft uns allen nicht weiter.“

Während die IG Metall in der Tarifrunde 4 Prozent mehr Lohn fordert, bieten die Arbeitgeber eine Lohnerhöhung von zweimal 1,2 Prozent bei einer Laufzeit von 27 Monaten an. Gespräche darüber knüpft Gesamtmetall allerdings an betriebliche Öffnungsklauseln zur Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 40 Wochenstunden. Firmenleitungen sollen mit ihren Betriebsräten von der 35-Stunden-Woche abweichende Arbeitszeitverlängerungen vereinbaren können – ohne die Zustimmung der Tarifparteien. Die damit verbundene Mehrarbeit soll je nach wirtschaftlicher Lage des Unternehmens voll, teilweise oder gar nicht bezahlt werden.

Die IG Metall lehnt dies ab. „Wir sollen hier eine Lohnkürzung von 14,5 Prozent unterschreiben“, sagte Peters. Zudem glaube er, dass der Arbeitgeberverband den Sonderfall zum „Generalfall“ machen wolle. Peters’ Stellvertreter Berthold Huber erklärte: „Was mir große Sorge macht, ist die Kompromisslosigkeit, mit der die Arbeitgeber vorgehen.“

Überrascht von der „harten Konfrontationsstrategie“ der Arbeitgeberseite ist der Frankfurter Gewerkschaftsexperte Josef Esser. Offensichtlich habe sich bei den Arbeitgebern jenes Lager durchgesetzt, das nach dem verlorenen Streik im Osten die Chance sehe, die Gewerkschaft „nicht nur weiter zu schwächen, sondern sogar zu zerstören“. Sollten die Arbeitgeber weiterhin an ihrer harten Linie festhalten, werde es vermutlich zu einem Streik kommen. Die IG Metall könne niemals zulassen, dass die Betriebsparteien künftig die Tarife aushandeln. „Da würde sich die Gewerkschaft als Organisation aufgeben“, erklärte Esser der taz.

Unterstützung erhielt die IG Metall von Seiten der SPD. Der Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering lehnte ebenfalls längere Arbeitszeiten bei gleich bleibendem Lohn ab. „Die Arbeitgeberforderung nach längerer Arbeitszeit für dasselbe Geld ist in Wahrheit eine Lohnsenkungsforderung“, sagte Müntefering. Dagegen erklärte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber: „Entweder wir werden flexibler bei der Arbeitszeit und sind auch bereit, etwas mehr zu arbeiten, oder wir verlieren weiter an Arbeitsplätzen.“

THILO KNOTT