„Die spinnen, die Deutschen“

Das türkische Kreuzberg hat nur ein Thema: Die Südfront im Irak. Ob die deutschen Awacs-Piloten nun fliegen dürfen oder nicht, lässt die Kaffeehausbesucher kalt

In einem überwiegend von Türken besuchten Café sitzt eine Gruppe türkischer Männer. Unter ihnen Intellektuelle, Arbeitslose, Selbstständige und Illegale, die an ihren Cortados schlürfen und hitzig über die jüngsten Kriegsmeldungen aus dem Irak diskutieren. Immer wieder schimpfen sie auf „die Amerikaner“ und zerpflücken dabei die jüngsten Ereignisse an der Südfront. Um den Einmarsch der türkischen Truppen im Nordirak oder um die deutsche Reaktion darauf geht es hier nicht.

Yalcin, ein Intellektueller, beschwert sich, als er gefragt wird. Er ist frustriert, dass aus Deutschland dafür kein Lob kam, als das türkische Parlament den US-Antrag auf Truppenstationierung ablehnte. „Niemand hier hat davon groß Notiz genommen. Aber jetzt, mit dem Einmarsch in den Nordirak, werden wir plötzlich kritisiert.“

Yalcin empört sich über den platten Auftritt eines PDS-Politikers im türkischen Fernsehen. „Er meinte, die türkische Politik richte sich stets nur gegen die Kurden.“

Dass die Deutschen „spinnen“, glaubt auch ein türkischer Fotojournalist. „Ich kann es nicht fassen“, regt sich Metin auf, „wie übertrieben in Deutschland berichtet wird.“ Dabei säßen türkische Truppen doch schon seit Jahren im Nordirak. Er weiß wovon er redet, denn er hat schon oft für deutsche Medien Bilder im Nordirak gemacht.

Awacs-Piloten, Einmarsch der Türken im Nordirak – die Diskussion über das deutsche Flugpersonal in der Grauzone interessierte gestern das türkische Berlin nur am Rande. Das Massenblatt Hürriyet versteckte den entsprechenden Bericht über die deutschen Ängste und Regularien im hinteren Teil der Zeitung. „Gül sagt Fischer, er soll sich um den eigenen Kram kümmern“, lautete die schnodderige Schlagzeile auf Seite 15.

Auch Hasan Cagiloglu ist in erster Linie zufrieden mit der Regierung in Ankara. Der Rentner hat sich zum Plaudern zum Kottbusser Tor begeben, wo er zwischen Drogenabhängigen und einkaufenden Frauen mit einem anderen türkischen Rentner über den Krieg debattiert.

„Sie haben der Türkei Geld versprochen, aber nach dem Krieg werden sie dieses Versprechen vergessen“, meint Cagiloglu. Und: „Endlich verlassen die Amerikaner die Türkei.“ Beide trauen den Verlautbarungen der US-Regierung nicht, ja, meinen sogar, dass dort „auf breiter Front gelogen“ wird. „Unsere Jungs sollen auf jeden Fall in den Nordirak einmarschieren“, finden beide, „denn sie wollen ja nicht kämpfen, sondern nur den Flüchtlingsstrom stoppen.“

Vor zehn Jahren, so die Männer, war das nämlich ein großes Problem. Von einer Gefahr des kurdischen Widerstandes gegen türkische Truppen wollen beide nichts wissen. „Der türkische Soldat hat vor niemandem Angst!“ CEM SEY