Der Coup der Combo

Osnabrück will „Kulturhauptstadt Europas 2010“ werden – Die Wahrheit ist dabei

Die zwischen Teutoburger Wald und Wiehengebirge gebettete, mit schmucken Asphaltbändern umgürtete niedersächsische Gemarkung Osnabrück bewirbt sich um den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010“ und löckt damit wider die Landesregierung, deren Wohlwollen allein auf Braunschweig ruht. Die Wahrheit wird Osnabrück auf dem langen Weg durch die Institutionen publizistisch begleiten und nach bestem Vermögen unterstützen.

Große Empörung herrscht derzeit in Osnabrück über die unlauteren Methoden des Mitbewerbers Braunschweig im Wettstreit um den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010“. Kürzlich buchte ein Osnabrücker Konzertveranstalter eine Unterhaltungskapelle und musste voller Entsetzen gewahren, dass die Combo frech in einem mit Braunschweiger Propaganda übersäten Bandbus vorfuhr – und zwar mitten in Osnabrücks Schmuckkästchen, der stets von feinstem Ammoniaknebel durchzogenen historischen Altstadt. Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip schwang sich vom Amtssessel und wurde persönlich in dieser Sache vorstellig, konnte aber gegen den schamlosen Schurkenstreich wenig ausrichten – die jeglicher Hinterlist abholde Stadtverwaltung hatte, nichts Übles ahnend, eine ordnungsgemäße Sonderparkerlaubnis erteilt.

Es lässt sich dieser abgefeimten Tat dennoch Gutes abgewinnen, lenkt sie doch das Augenmerk auf das popmusikalische Eigenvermögen der Stadt Osnabrück, das künstlerisch ohnehin fragwürdige Gastspiele unnötig macht. So wurde vor 40 Jahren nirgendwo anders als in Osnabrück der Swing erfunden, wie jüngst das neu formierte „Osnabrücker Jugendtanzorchester“ unwiderlegbar vor Ohren führte.

Die im Januar vonstatten gegangene Jubiläumsveranstaltung zum 30. Geburtstag der Osnabrücker Stadthalle legte derweil Zeugnis ab davon, dass auch in Osnabrück die musikalische Entwicklung nicht stehen geblieben ist. Vielfalt gibt den Ton an, wenn Formationen wie Die Schlagerpolizei, Starlight Excess und Howie, das Osnabrücker Carpendale-Double, aufspielen oder Osnabrücks Antwort auf Robbie Williams mit seiner Gruppe Entertained die Massen in die Raserei treibt.

Mit Blick auf das Jahr 2010 wäre durchaus überlegenswert, ob man nicht vielleicht ein Festivalprogramm mit einheimischen Publikumsfavoriten zusammenstellt. Bereits im Friedensjahr 1998, als in Anwesenheit gekrönter Häupter des Westfälischen Friedens gedacht wurde, war eine solche Freiluftveranstaltung beinahe bis zur Planungsreife vorangetrieben worden. Namen wie U 2, R.E.M., Joe Cocker, Santana kursierten, doch waren diese bei der Jugend sehr beliebten Kapellen dann letztlich leider verhindert.

Zum Glück steht in solch misslichen Situationen Heinz-Rudolf Kunze parat, der sich zwar vor einigen Jahren in Richtung Hannover absetzte, aber immer noch als Osnabrücker gilt, weil er in der Hasestadt Teile seiner Jugend verbracht hat. Sollte Herr Kunze ausnahmsweise anderweitig verpflichtet sein, tut es auch mal die aus Funk und Film bekannte US-Combo Tito & Tarantula, die von einer einheimischen Konzertagentur vertreten wird.

Das Line-up des großen Osnabrücker Friedens- & Kultur-Rockfestivals könnte demnach lauten: Ombre de Luci (italo-osnabrückischer Minnesang), Die Cale Copf Company (A-cappella-Singsang), Die Schlagerpolizei (deutscher Gesang), Howie, das Carpendale-Double, Entertained (Cover-Gesang) und als Stargast: Heinz-Rudolf Kunze. Oder Tito & Tarantula. Wer eben gerade Zeit hat. Für Verpflegung aus der Gulaschkanone wird gesorgt.

CASPAR WIEDENBROCK