EU-Attacke auf die Billigfliegerei

Discount-Fluglinie Ryanair muss Subventionen zurückzahlen, falls die EU-Kommission heute die Gebühren am Flughafen Charleroi in Belgien für zu niedrig erklärt. Ticket-Preise würden steigen. Durch Rückstellungen sinkt erstmals der Gewinn

AUS FRANKFURT AM MAINKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Die Billigfluglinie Ryanair wird möglicherweise für ihre Flüge nach Belgien die Preise erhöhen. Sollten staatliche Subventionen für den belgischen Flughafen Charleroi gestrichen werden und dadurch die dortigen Start- und Landegebühren steigen, würden die Kosten voll an die Kundschaft weitergegeben. Das hat das irische Unternehmen jetzt angekündigt. Die Kommission der Europäischen Union (EU) erklärt heute, ob sie die bisherigen Preisnachlässe in Charleroi für illegal hält.

Ryanair selbst rechnet wohl fest damit, dass das Unternehmen dann auch die in den vergangenen drei Jahren durch Preisnachlässe von 50 Prozent für Starts und Landungen auf dem Airport Charleroi eingesparten Kosten zurückerstatten muss. Das könnten bis zu 15 Millionen Euro sein, so Mutmaßungen von Luftfahrtexperten in England. Ryanair-Chef Michael O’Leary hat entsprechende Rückstellungen getätigt und bereits verkündet, dass Ryanair deshalb erstmals in der Unternehmensgeschichte einen Ertragsrückgang habe hinnehmen müssen: 2003 um zehn Prozentpunkte auf 215 Millionen Euro.

Doch O’Leary will nicht allein bluten. Für den Fall der Streichung der Gebührennachlässe für Ryanair in Belgien durch die Kommission kündigte er nicht nur „Berufung“ beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg an, sondern auch „Klagen gegen alle europäischen Fluggesellschaften, die staatlich subventionierte Flughäfen anfliegen“. Und das könnte, so O’Leary im britischen Blatt Sunday Telegraph, schädliche Folgen für die gesamte europäische Billigfliegerei haben. Tatsächlich leben die Billigfluglinien davon, dass sie meist kleinere Flughäfen an der Peripherie der Großstädte anfliegen. Dort nämlich können die Start- und Landegebühren individuell mit den dafür zuständigen Stellen ausgehandelt werden – in der Regel mit den Regionalregierungen und den Flughafenbetreibergesellschaften.

Die Kommission rieb sich allerdings nicht an den dort im Vergleich mit den Großflughäfen sehr viel geringeren Start- und Landegebühren generell, sondern ganz speziell an den Preisnachlässen, die auf dem Flughafen von Charleroi, dem Drehkreuz der Iren, ausschließlich Ryanair gewährt wurden. Der Schuss von O’Leary könnte deshalb auch nach hinten losgehen. Denn auf der Grundlage der Entscheidung der Kommission könnten die anderen Marktteilnehmer im Gegenzug Ryanair verklagen, weil der Airline vielleicht auch auf anderen Flughäfen Extrarabatte gewährt werden. Eine Sprecherin des Unternehmens in London hatte Ende 2003 auf Nachfrage zwar noch erklärt, dass für Ryanair „nirgendwo Extrawürste gebraten“ würden. An Charleroi hatte die Sprecherin da wohl gerade nicht gedacht.

Was aber sind nun legale Subventionen? Und wo fängt die Illegalität an? Für die EU ganz offenbar bei der Gewährung von Preisnachlässen für nur eine Fluggesellschaft, während andere gleichzeitig mehr bezahlen müssen. Doch wie sind Subventionen für eine Fluggesellschaft zu bewerten, die ganz ohne Konkurrenz einen Flughafen fast allein nutzt – wie etwa Ryanair die ehemalige US-Airbase Hahn im Hunsrück?

Die Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit der Frage, ob nicht auch die horrenden Kosten für den Bau von Zubringerstraßen und Bahntrassen zur Erschließung des Flughafen Hahn als „versteckte Subventionen“ für die Flughafenbetreibergesellschaft Fraport AG und die Fluglinie Ryanair zu werten seien. Oder ob es sich dabei nur um „Wirtschaftsförderung im strukturschwachen Raum“ handele, wie die SPD/FDP-Landesregierung behauptet.

Die Beratungen darüber dauern in Mainz an.

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