Deutsche Unternehmen kommen billig davon

Finanzministerium beklagt zu hohe Steuersätze und vergisst dabei, die Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen

HAMBURG taz ■ Die Steuerreformen der rot-grünen Bundesregierung helfen dem so genannten Standort bislang nicht – weil die Steuersätze zu hoch sind. Zu diesem Ergebnis kommt Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) in seinem jüngsten Monatsbericht. Trotz kapitalfreundlicher Nachlässe falle Deutschland 2004 im Steuerwettbewerb zurück – obwohl der Unternehmenssteuersatz in diesem Jahr von 40 auf 38,7 Prozent sinkt.

Das sei international immer noch die dritthöchste Belastung, heißt es im Bundesfinanzministerium (BMF): „Fast alle Staaten haben ihre Körperschaftsteuersätze angesichts des internationalen Wettbewerbs im Laufe der letzten Jahre zum Teil drastisch gesenkt.“

Tatsächlich haben mehrere Steuerbehörden ihre Tarife 2003 deutlich verbilligt. So senkte die Schweiz ihren Satz um rund einen halben Prozentpunkt, Belgien von über 40 auf 34 Prozent und das Steuerparadies Irland von 16 auf nur noch 12,5 Prozent. Zudem ist in vielen Ländern, die am 1.-Mai-Feiertag der Europäischen Union beitreten, die nominale Steuerlast schon jetzt deutlich geringer als hierzulande: Litauen und Zypern verlangen gerade mal 15 Prozent von ihren Unternehmen.

„Diese Zahlen geben ein schiefes Bild wider“, kritisiert Steuerexperte Michael Schlecht, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik der Gewerkschaft Ver.di. Entscheidend sei doch die Bemessungsgrundlage – die das BMF in seinem Vergleich vernachlässigt. Denn nirgends werden die vollen Gewinne versteuert, stattdessen ist die Bemessungsgrundlage in jedem Land verschieden und damit auch die Höhe der in Wirklichkeit gezahlten Steuern. Abschreibungen und Sonderregelungen erlauben es besonders deutschen Konzernen, die Steuerlasten in Grenzen zu halten. Das Fazit von Schlecht: „Die reale Besteuerung ist in vielen Ländern höher als in Deutschland.“ So halbierten sich in den vergangenen Jahren die tatsächlich gezahlten Unternehmenssteuern von rund 50 auf nur noch 25 Milliarden Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt kommen hiesige Unternehmen sogar besonders billig davon, sie müssen nur 1,8 Prozent davon als Steuern aufbringen, in der EU sind es durchschnittlich 3,0 Prozent. Noch höher ist die effektive Steuerlast nach Berechnungen der Ver.di-Fachleute im angeblichen Steuerparadies Niederlande – 4,1 Prozent.

Kein Wunder also, dass die Bundesregierung Ruhe bewahrt. Die steuerlichen Vergünstigungen in den Beitrittsländern werden durch den Beitritt in die EU ab Mai „eingedämmt“, heißt es im Finanzministerium. Unfaire Regelungen würden dann verschwinden. Auch sonst gibt man sich selbstbewusst. In Befragungen hätten Unternehmen Steuervergünstigungen zwar als wichtig bezeichnet, ein entscheidender Faktor für Investitionsentscheidungen seien sie jedoch nicht. Dies hofft man auch in New York und Tokio, denn die wichtigsten Konkurrenten deutscher Konzerne, Unternehmen in den USA (39,9 Prozent) und Japan (40,9 Prozent), stöhnen über eine noch höhere Steuerlast, jedenfalls nominal und pro forma.

HERMANNUS PFEIFFER