Die Rolle der Frau

Mit Dagmar Reim hat sich erstmals eine öffentlich-rechtliche Anstalt eine weibliche Spitze gewählt: Die neue RBB-Intendantin setzte sich gegen Ulrich Deppendorf und die üblichen Seilschaften durch

von RAINER BRAUN

Die erste Intendantin des Rundfunks Berlin Brandenburg (RBB) heißt Dagmar Reim. Gegen drei männliche Mitbewerber setzte sich die Hamburger Landesfunk-haus-Direktorin des NDR am späten Montagabend im vierten Wahlgang durch. Erstmals wurde eine Frau am die Spitze einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt gewählt. Überraschend deutlich auf der Strecke blieb hingegen Mitfavorit Ulrich Deppendorf, für den die Arbeit als amtierender Fernsehdirektor des WDR in Köln jetzt nicht leichter werden dürfte.

Die versierte Journalistin Reim, die über den Bayerischen und Westdeutschen Rundfunk zum NDR kam, war über ihren Rückhalt unter den 7 Frauen im 30-köpfigen Rundfunkrat hinaus für Sozialdemokraten ebenso akzeptabel wie für Kultur- und Kirchenverteter. Deppendorf setzte hingegen auf das reibungslose Funktionieren des „Old-Boys-Networks“ aus Politik und ARD-Granden. Dass er sich mit den SPD-Regierungschefs von Berlin und Brandenburg schon vor der Konstituierung des RBB-Rundfunkrats zum trauten Gespräch traf, kam bei den Gremienvertretern alles andere als gut an.

Und so erhielt Dagmar Reim schon im ersten Wahlgang 14 Stimmen, Deppendorf lediglich 12. Als Alleinkandidatin im entscheidenden vierten Urnengang erreichte sie bei 7 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen schließlich die notwendige Zweidrittelmehrheit.

Bei den Mitarbeitern von Ostdeutschem Rundfunk Brandenburg (ORB) und Sender Freies Berlin (SFB) dürfte die Entscheidung für die passionierte Sammlerin von Todesanzeigen verhaltene Freude ausgelöst haben: Reim wird zwar formell die beiden Sender beerdigen – der SFB feierte deswegen gestern hastig seinen 50sten Geburtstag –, versprach aber „eine Fusion ohne Verlierer“ und zeigte „bis zu einem gewissen Punkt durchaus Verständnis für die Verlustängste“ der Beschäftigten. Mit Blick auf die aktuelle Medienkrise gab sie freilich auch zu bedenken, dass sich gerade öffentlich-rechtliche Journalisten, die für gesellschaftlichen Wandel plädierten, Veränderungen in eigener Sache kaum verschließen dürften. Zudem müsse der RBB mehr sein „als die Addition von zwei Sendern“.

Zwar hatte schon im Vorfeld die CDU Ansprüche auf die Besetzung von Fernseh- und Verwaltungsdirektion erhoben. Aber der selbstbewusste Auftritt Reims unmittelbar nach ihrer Wahl lässt darauf hoffen, dass mit ihr Kompetenz den Vorrang gegenüber Absprachen hinter den Kulissen erhält. Dafür spricht, dass das Lagerdenken im RBB-Rundfunkrat bei weitem (noch) nicht so eindeutig ausgeprägt ist wie in vergleichbaren Aufsichtsgremien.

Die Wahl könnte auch ein Impuls für stärker sachorientierte Entscheidungen sein: Das betrifft nicht nur die geplante Länderfusion, sondern erhöht auch den Druck auf Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk, deren anachronistisch anmutende Existenz vor allem den politischen Eigeninteressen an Weser und Saar geschuldet ist. Dafür wird auch in Kauf genommen, dass beide Sender in der ARD kaum noch Profil haben, weil die Mittel aus dem Finanzausgleich immer spärlicher fließen.

Ein resoluter Einsatz für die Besetzung von Spitzenpositionen jenseits der Parteibücher könnte aber auch anderswo Denkprozesse in Gang setzen. Denn längst basteln etwa in NRW die SPD-Strategen daran, die Nachfolge des WDR-Intendanten Fritz Pleitgen noch vor den nächsten Landtagswahlen zu lösen. Ulrich Deppendorf hat sich für dieses Amt schon deshalb nicht empfohlen, weil Diskretion wie das Wahren der Etikette in dieser Branche nun einmal zum obersten Gebot gehören.