Schlick gar nicht stichfest

Bremer Hochschulprofessor stärkt Kritik am millionenteuren Baggerwahn in der Ems. Trotzdem will der Bund Weser, Elbe und Ems noch tiefer legen. WWF warnt: Flussausbau steigert Hochwassergefahr

„Die Baggerungen sind eine Lizenz zum Gelddrucken für die beteiligten Firmen“

taz ■ Baggerkritiker Rewert Wurpts hat im Streit, ob das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Emden zu teuer und ineffektiv zu nassen Schlick aus der Ems holt (vgl. taz vom 18.3.), Rückendeckung bekommen. Horst Nasner, Professor an der Hochschule Bremen, nannte die Kritik von Wurpts „nachvollziehbar“. Wurpts hatte behauptet, man könne die Kosten für die Ems-Baggerungen von 22 Millionen Euro jährlich halbieren, wenn man „effektiver baggert“.

Gretchenfrage des Schlickstreites: Baggert das WSA Emden Schlick aus der Ems, der eigentlich dort bleiben könnte, weil er gar kein Hindernis für Schiffe ist? Das WSA hatte behauptet, es baggere „nahezu stichfesten Schlick“ aus dem Fluss. Dem widerspricht jetzt Experte Nasner: Die Aussage des WSA sei „nicht korrekt“: Die Saugbagger, die in der Ems zum Einsatz kommen, könnten solche Feststoffe gar nicht fördern.

Unbestritten ist: Die Ems muss als Bundeswasserstrasse auf mindestens 6,30 Meter ausgebaggert werden. Ausschließlich für die Papenburger Meyer Werft muss sie aber im Bedarfsfall auf 7,30 Meter vertieft werden – sonst kann die Werft ihre Schiffe nicht in das seetiefe Wasser der Nordsee bugsieren. Für den Sommer stehen zwei Schiffsüberführungen an. Mittlerweile schließen sich auch andere fachlich kompetente lokale und regionale Ems-Anrainer der Baggerkritik an und frotzeln hinter vorgehaltener Hand: „Die Baggerungen sind eine Lizenz zum Gelddrucken für die beteiligten Firmen.“ Reinhard de Boer aber, Chef des WSA Emden und verantwortlich für die Ems-Baggerei, bleibt dabei: „Eine Baggerkontroverse gibt es nicht: Das ist doch absurd.“

Noch gibt es keine verbindliche Definition über das, was zu baggernder Schlick ist. Die Bundesbehörde WSA hat eine andere Auffassung als Diplom-Ingenieur Wurpts. Dessen Verfahren, eine Vorstufe von Schlick, das so genannte fluid mud für Schiffe durchgängig zu halten und nicht auszubaggern, hat die Unterhaltkosten für den Emder Hafen drastisch gesenkt. Der Hafen Rotterdam ist von Wurpts Idee bereits sehr angetan. Und auch in der neuen DIN-Norm für zu baggernden Schlick, die gerade erarbeitet wird, sollen nach taz-Informationen die Erkenntnisse von Rewert Wurpts ihren Niederschlag finden. Muss also das WSA zukünftig doch anders baggern? Nein, sagt WSA Chef de Boer: „Wir baggern doch nicht zum Spaß. Wir versuchen immer auf der Höhe der wissenschaftlichen Diskussion zu handeln.“ Wurpts aber habe seine Erkenntnisse aus dem Emder Hafen – „ein anderes Revier“, meint de Boer: „Das heißt: anders baggern.“

Bisher geht der Streit ausschließlich um die ökonomischen Folgen des Baggerns. Jetzt soll aber dem frisch verabschiedeten neuen Bundesverkehrswegeplan zufolge die Ems vor Emden, die Weser und die Elbe noch tiefer gelegt – sprich: ausgebaggert – werden. Das ruft die Ökologen auf den Plan. „Die Flussvertiefungen zerstören wichtige Fluss-Lebensräume und Wattflächen. Die Folgen für Pflanzen und Tiere sind fatal“, klagt Uwe Johannsen vom WWF in Bremen. Der weist in einer neuen Studie zudem darauf hin, dass durch einen weiteren Ausbau der Flüsse auch die Gefahr von Hochwasserkatastrophen steige.

Thomas Schumacher