Fitness gegen Frühverrentung

Der DGB fordert das Ende der Altersdiskriminierung in den Betrieben. Sie sei nicht nur unsozial, sondern widerspreche auch den demographischen Prognosen

„Altersmobbing ist nicht nur ein betriebswirtschaftliches Problem“ „Die Diskussion ist in den Betrieben noch nicht so recht angekommen“

Bremen taz ■ Der Alterungsprozess des Durchschnittsdeutschen schreitet unaufhaltsam voran. In Bremen wird im Jahr 2050 jeder dritte Bürger über 60 Jahre alt sein. Das ergibt eine Studie, die Barbara Reuhl von der Arbeitnehmerkammer Bremen durchgeführt hat. Weitere Erkenntnis: Schon jetzt sind die Belegschaften vieler Betriebe überaltert. Frührente und Altersteilzeit sollten Abhilfe schaffen. Doch derzeit wird die Verlängerung der Lebensarbeitszeit diskutiert. „Eine schizophrene Situation“, urteilt Helga Ziegert, Vorsitzende des DGB Bremen. Anlass genug, gestern Experten und diskussionsfreudige Personal- und Betriebsräte zu einer Konferenz im DGB-Haus zu versammeln. Motto: „Heute ausgemustert mit 50 – morgen arbeiten bis 67?“

In der Kritik steht vor allem die Tendenz, ältere KollegInnen ins Abseits zu drängen, und sei es durch Mobbing. „Das ist nicht nur ein betriebswirtschaftliches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem“, betont Ziegert. In den USA nenne man so etwas „Altersdiskriminierung“. Diese sei sogar im Antidiskriminierungsgesetz ausdrücklich genannt.

Eva Zinke, Vorstandsmitglied der IG Metall, sieht den springenden Punkt in der reduzierten Betrachtung des Älterwerdens nach dem Defizitmodell. Es gehe schließlich nicht um pflegebedürftige 80-Jährige. Ältere Arbeitnehmer, so Zinke, könnten mögliche Defizite durch Stärken ausgleichen. Sie seien vielleicht weniger wendig, dafür aber sehr erfahren. Diese Ressourcen gelte es allerdings, nutzbar zu machen.

Wie das funktionieren kann, zeigt das Beispiel des Eurogate-Konzerns. Hier werden altersbedingte körperliche Beeinträchtigungen mittels Jobrotation wettgemacht. Zusätzlich setzt man auf die Präventionsbereitschaft der MitarbeiterInnen: Die Belegschaft kann sich zu besonderen Konditionen im Fitnessstudio anmelden. Wer nachweist, dass er seinen Arbeitnehmerkörper trainiert, hat sogar ein Anrecht auf anteilige Kostenerstattung dafür. Ganz ohne Selbstverantwortung der Mitarbeiter ist ein Wandel in der betrieblichen Arbeitsgestaltung nicht zu haben.

Leider gilt Eurogate in Gewerkschaftskreisen als nur eine rühmliche Ausnahme. „Die Diskussion findet derzeit vor allem in der Öffentlichkeit statt“, konstatiert Gunda Maintz von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). „In den Betrieben ist sie noch nicht so recht angekommen.“ Beim Raumfahrt-Techniker EADS etwa suche man ständig händeringend nach Ingenieuren – aber nur in der Altersgruppe unter 45 Jahren. In anderen Fällen erklärten Personalchefs – selbst jenseits der 50 –Bewerbern, die fünf Jahre jünger seien, als zu alt und unflexibel.

Die Arbeitswelt, fordert Helga Ziegert, müsse sich auf die neue Situation einstellen. Alles andere gehe an den demographischen Prognosen vorbei: „Wir müssen uns von der gedachten Schallgrenze bei 55 Jahren verabschieden. Nur so kann vermieden werden, dass ältere Arbeitnehmer innerlich kündigen.“ Angesichts der derzeitigen Situation liege das Betriebsklima vielerorts nahe Null. Eine alarmierende Bilanz, folgt man Gunda Maintz. Sie betont – unter Berufung auf eine Studie aus Finnland – die Stimmung am Arbeitsplatz sei für die Motivation der Arbeitskräfte maßgeblicher als die Festschreibung des betrieblichen Arbeitsschutzes. Mehr Respekt vor dem Alter könnte also vielleicht sogar den wirtschaftlichen Aufschwung vorantreiben.Christoph Kutzer