piwik no script img

Körper auf den Punkt gebracht

Schon morgen müssen die Dinge keine Bedeutung mehr haben: Chic Clicks, eine Fotoausstellung im NRW-Forum Düsseldorf, spürt dem Verwischen von Eindeutigkeiten an den Rändern von Kunst und Mode nach. Die Anti-Inszenierung und der perfekte Schmuddel, sie stehen auf beiden Seiten hoch im Kurs

von MAGDALENA KRÖNER

Das Haus hat sich schwer in Schale geworfen: äußerlich unbewegt wie eh und je, herrscht im Inneren leuchtende Aufregung. Das NRW-Forum Kultur und Wirtschaft Düsseldorf trägt strahlendes Rot und Pink auf seinen Wänden, schließlich hält wieder mal die Mode Hof. In der Vergangenheit hat man hier immer wieder mit eleganten Ausstellungen zur Modefotografie geglänzt. Doch bei der groß angelegten Schau „Chic Clicks“ bildet der Glamour der Inszenierung nur die heimtückisch einladende Folie, vor der Schick und Schock um die Aufmerksamkeit des Betrachters kämpfen. Nichts Geringeres wird verhandelt als das libidinöse Verhältnis von Mode und Kunst.

So treffen Fotografen, die, von den immer gleichen Wareninszenierungen in der Mode gelangweilt, sich in die Kunst vortasten, mit Künstlern zusammen, deren wachsendes Interesse am Körper sie irgendwann der Semantik der Mode zuführte. Die für das Bostoner Institute of Contemporary Art entwickelte Schau zeigte dort „Kunst“ und „Kommerz“ auf verschiedenen Stockwerken. In Winterthur trennte man die Bereiche durch eine dicke rote Linie. In Düsseldorf rücken die Arbeiten ganz nah aneinander, und nur eine diskrete Wandaufschrift behauptet noch eine Trennung, die längst egal ist.

Was sich entdecken lässt, sind zunächst Modebilder auf der Höhe ihrer Zeit: ohne Lichteffekte, ohne Schminke – und irgendwann auch ohne Klamotten. Natürlich ist diese Anti-Inszenierung ebenso ein Produkt der Modeindustrie wie der hochgezüchtete Glamour der Jahre davor. Nach wie vor sorgen Stylisten und Make-up-Leute für den perfekten Schmuddel. Auch das hipste Magazin kann ohne die Werbung für die vornehm vernachlässigte Klamotte nicht existieren. Andererseits wäre die starke Autorenfotografie der letzten Jahre nicht denkbar ohne Magazine wie The Face, i-D, Purple, Spoon oder das deutsche Qvest, die viele der heutigen Fotostars zum ersten Mal veröffentlichten. Damit wurde der Boden für das Eintreten der Mode ins Museale bereitet.

Die Bandbreite der Exponate ist groß: Da gibt es die Langweiligen wie Terry Richardson oder Larry Sultan, die mit Sex und Pornografie nach dem Schock trachten und mit ihren wilden Inszenierungen doch nur alte Stereotype beatmen. Interessanter ist da eine junge Fotografengarde, die einfallsreich und mutig die Grenzen des Genres dehnt – was freilich in auffälligem Kontrast zu ihren arg konventionellen Vorstellungen von „freier Kunst“ steht. So erzählt der ehemalige Avedon-Assistent Mikael Jansson in seinen Modefotos eiskalte, perfekt inszenierte Geschichten aus der Hölle der Bürgerlichkeit, während seine freie Arbeit nach Schnappschüssen fürs Familienalbum aussieht. Anuschka Blommers und Niels Schumm zeigen eine quälend manierierte Modefotografie auf der einen und einfallslos verfremdete Porträts auf der anderen Seite. Fred Aufray fotografiert in harten Anschnitten seine Klamotten an großartigen, ungewöhnlichen Personen, während ein angestrengter, symbolisch überfrachteter Kurzfilm als „Kunst“ durchgehen soll. Thanks but No Thanks.

Viele der jüngeren Künstler siedeln ihre Arbeit gleich in einem inzestuös verwobenen Hipness-Kosmos an, der zwischen Mode und Kunst keine Unterscheidungen mehr braucht. Hier entwickeln sich Einzelpositionen und mehr noch Kollektive, in denen Schauspielern, Malen, Schneidern, Fotografieren und Modeln längst eines sind. Die New Yorker Kollaborationen von Mark Borthwick (macht Musik, schreibt Gedichte, fotografiert seine Freunde in Klamotten, die andere Freunde designt haben), Rita Ackermann (Malerin, designt Kleidung, stylt Modefotografien), Chloé Sevigny (Schauspielerin mit eigenem Klamottenlabel, lässt sich in fremder Designerware von Mark Borthwick ablichten) stehen für dieses Modell. Ein kurzer Blick auf diese multiplen Mode/Kunst-Happenings zeigt eine Arbeitsweise, der es um den Prozess und nicht das Produkt geht. Schon morgen müssen diese Dinge keine Bedeutung mehr haben, der coole Moment zählt: Factory mit anderen Mitteln.

Aber dann gibt es in der Ausstellung auch noch die Künstler, die die Mechanismen der Mode(n) derart entlarven, ihre Travestien sezieren und bis ins Unerträgliche aufsplittern können, dass es keine Rolle mehr spielt, in wessen Namen dies geschieht: Iké Udé, Cindy Sherman, Philip-Lorca DiCorcia, Richard Prince. Das leichteste Spiel gelingt dem österreichischen Bildhauer Erwin Wurm, der das ganze, opulente Unterfangen, mit seinen „One-Minute-Sculptures“ wirklich auf den Punkt bringt. Körper und Raum, Kleidung und Leib, bei ihm finden die Dinge auf geradezu unerhörte Weise zueinander. Für eine heiße Minute, bei der man von Glück sagen kann, dass sie fotografiert wurde.

Bis 1. Juni, NRW-Forum Düsseldorf,Katalog (Hatje Cantz) 58,00 €

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen