Christian Wulff testet Resonanz

Niedersachsens Ministerpräsident kritisiert Beraterverträge seines SPD-Vorgängers

HANNOVER taz ■ Mit einem handfesten Vorwurf in Richtung SPD macht der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff gegenwärtig von sich reden. Die SPD-Vorgängerregierungen in Niedersachsen von Schröder über Glogowski bis Gabriel hätten zwischen 1994 und 2002 „insgesamt 368 Beraterverträge und Gutachten für 28,3 Millionen Euro vergeben“, sagt der CDU-Politiker gern mit Blick auf den über Beraterverträge gestolperten Florian Gerster. Und in der Bild-Zeitung ging er noch weiter. „Inzwischen wissen wir: Die haben sogar Berater beauftragt, damit sie häufiger in Talkshows auftreten können.“

In der SPD-Landtagsfraktion sorgt dieser Vorwurf eher für Heiterkeit. „Sigmar Gabriel in Talk-Shows unterzubringen war wirklich nie unser Problem“, meint Fraktionssprecher Tobias Dünow. Wulffs Behauptung könne sich allenfalls „auf einen Vertrag über allgemeines Mediencoaching und zur Vor- und Nachbereitung von TV-Auftritten des ehemaligen Ministerpräsidenten“ beziehen. Der Vertrag sei aus Landesmitteln bezahlt worden. Es sei aber legitim, wenn Politiker externe Beratungsleistungen in Anspruch nähmen.

Die Äußerung von Wulff sei völlig zutreffend, sagt dagegen dessen Regierungssprecherin Nina Hacker. Der Inhalt der Verträge, die die Vorgängerregierungen abgeschlossen hätten, sei allerdings vertraulich. Bei einer Überprüfung habe man bislang zwar „nichts Rechtswidriges“, aber immerhin „Anrüchiges“ festgestellt. Man sei aber noch in der Bestandsaufnahme. „Die Frage, ob gegen rechtliche Regeln verstoßen wurde, bedarf der sehr sorgfältigen juristischen Prüfung“, betont Hacker.

Anlass für die Bestandsaufnahme in Sachen Beraterverträge ist eine kleine Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Stefan Wenzel, der damit eine CDU-Tradition aus Oppositionszeiten fortsetzt. Die CDU hatte sich im November 2002 per großer Anfrage von der damaligen SPD-Landesregierung alle nach außen vergebenen Gutachteraufträge auflisten lassen. Dabei erhielt sie die von Wulff so gern zitierte Auskunft, es habe seit 1994 insgesamt 368 Verträge gegeben, die zusammen 28,3 Millionen Euro gekostet hätten.

Die alte Auflistung umfasst jedoch keineswegs nur klassische Beraterverträge. Enthalten sind etwa auch alle Rechtsgutachten oder Expertisen zur Verwaltungsreform. Nur technische Gutachten hatte die CDU seinerzeit als legitim betrachtet und bei ihrer Anfrage ausgenommen.

Der grüne Landtagsabgeordnete Stefan Wenzel will nun von der CDU/FDP-Landesregierung wissen, ob sie tatsächlich mit der „Gutachteritis“ radikal Schluss gemacht hat. Zumindest für die Staatskanzlei selbst triff das nicht zu. Man habe eine „Resonanzstudie“ zur Akzeptanz der eigenen Politik bei der Bevölkerung nach außen vergeben, sagt Regierungssprecherin Hacker immerhin. Der Grünen-Politiker Wenzel hat noch von weiteren Gutachtern gehört, die das Finanz- und das Innenministerium nach dem Regierungswechsel in Anspruch genommen haben. JÜRGEN VOGES