Unternehmen à la multikulti

Die „Charta der Vielfalt“ erschließt unentdecktes ökonomisches Potenzial. Wie Vielfalt in Firmen integriert werden kann, versteckt sich in vagen Unternehmensleitlinien

„Im Rahmen dieser Charta werden wir (…) eine Unternehmenskultur pflegen, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung jedes Einzelnen geprägt ist. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Vorgesetzte wie MitarbeiterInnen diese Werte erkennen, teilen und leben. (…) die Vielfalt der Gesellschaft innerhalb und außerhalb des Unternehmens anerkennen, die darin liegenden Potenziale wertschätzen und für das Unternehmen gewinnbringend einsetzen.“ Den ganzen Text gibt es unter www.charta-der-vielfalt.de

von KENDRA ECKHORST

Vergangenen Montag unterschrieben die Stadt Hamburg und 40 Unternehmen die „Charta der Vielfalt“. Sie verpflichteten sich, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, dass „alle MitarbeiterInnen wertschätzt“, gleich welchen Geschlechts, Herkunft, Alter und Behinderung. Denn „die Anerkennung und Förderung dieser vielfältigen Potenziale schafft wirtschaftliche Vorteile“, so das Ziel der Charta. Wie ein „Klima der Akzeptanz und des gegenseitigen Vertrauens“ erzeugt werden soll, bleibt unklar.

Schon 2006 hatte die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer die Kampagne mit Firmen wie Daimler, Deutsche Bank und Telekom ins Leben gerufen. Und so schüttelten Bundesarbeitsminister Olaf Scholz und Sozialsenator Dietrich Wersich Hände und überreichten Urkunden. Auch Böhmer ließ es sich nicht nehmen, die Charta als Wettbewerbsreihe anzupreisen, um „angesichts des demografischen Wandels und des Mangels an qualifizierten Fachkräften die vorhandenen Potenziale von Menschen unterschiedlicher Herkunft besser ausschöpfen“ zu können.

Vorgaben wie Unternehmen vorurteilsfrei gestaltet werden können, liegen in der eigenen Handhabe und somit in den Unternehmensleitlinien. Aber wie sieht es im Einzelfall aus? Ein hamburgweit tätiges Unternehmen ist die Stadtreinigung. „Wir sind eh ein Multikulti-Unternehmen“ sagt Sprecher Reinhard Fiedler. Die „Charta“ hätten sie schon umgesetzt, da schon damals die so genannten Gastarbeiter eingestellt wurden. Vor zwei Jahren wurde ein Unternehmenskodex ausgeklügelt, der Umgangsformen detailliert darlege. Ob Menschen mit Migrationshintergrund es bis in die Führungsetagen geschafft hätten, verneint Fiedler, aber Vorarbeiter seien sie mitunter.

Rainer Barthel, Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes im Landesverband Hamburg weiß noch nichts über den Beitritt zur Charta. Kollegin Svenja Koch aus Berlin erläutert stellvertretend den Führungsstil, der auf Respekt setze und auf sensible Kompetenzen wie das Erfühlen von Stimmungen am Arbeitsplatz. Wie und ob die Charta in den Verbänden umgesetzt wird, weiß Koch nicht.

Die Hamburger Sparkasse erhielt am Donnerstag den Förderpreis „Vielfalt in Ausbildung“. Aktiv würde Chancengleichheit gelebt und nicht statistisch ausgewertet, erzählt Pressesprecher André Grunert. „Es gibt keine Probleme, deswegen veranstalten wir auch keine Seminare oder Schulungen.“

Die Helm AG, ein Chemie-Marketingunternehmen wurde für die Unterzeichnung angefragt, sprang aber ab. Personalchef Dieter Schütt sagt, „wir sind im Geiste multikulti, aber haben noch nicht die Strukturen angelegt“, die für eine solche Unternehmenskultur notwendig seien. Und bloß den politisch-demonstrativen Akt mitzunehmen ohne eine klare Vorstellung, “ist das falsche Ticket“.