Bös- oder Gutschein

Bildungseinrichtungen und Gewerkschaften klagen über Weiterbildungs-Gutscheine. Die Bundesagentur für Arbeit verweist auf knappe Kassen

VON Salvio Incorvaia

Die Zukunft der Umschulungsmaßnahmen für Arbeitslose ist ungewiss. Die Träger beruflicher Weiterbildung und Weiterbildungslehrkräfte sehen sich durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) in ihrer Existenz bedroht. „Die BA in Nürnberg hat eigenständig zu strenge Richtlinien für die Weiterbildung eingeführt. Diese Umsetzung der Hartz-Gesetze ist nicht demokratisch legitimiert“, sagt Rudolf Helfrich, Vorsitzender des Bundesverbands der Träger beruflicher Weiterbildung (BBB). Dies sei ein gesellschaftspolitischer Skandal.

Immer höhere Trägerkosten bei sinkenden TeilnehmerInnenzahlen bringen die Weiterbildungsträger in Schwierigkeiten. Im Fadenkreuz der Kritik steht die Umsetzung der Qualitätszertifikate zur Sicherung der Umschulungsqualität und das neue Bildungsgutscheinsystem durch die BA. Demnach muss jede Einzelmaßnahme der 30.000 Träger in Deutschland zertifiziert werden. Zusätzliche Kosten für Träger und TeilnehmerInnen sind die Folge.

Geregelt wird die Verteilung der Weiterbildung an Arbeitslose über Gutscheine. Die zu qualifizierende Person kann sich nun zwar den Bildungsträger selbst aussuchen. Doch die Scheine gelten drei Monate und werden nur dann für eine Umschulung ausgestellt, wenn der Vorgängerkurs der ausgewählten Maßnahme eine Vermittlungsquote von 70 Prozent nachweisen kann. Diese Quote wird sechs Monate nach Beendigung der Umschulung ermittelt.

Regionale Besonderheiten des Arbeitsmarktes spielen bei der bundesweiten Quote keine Rolle mehr. Ebenso enthalten sind darin Langzeitarbeitslose, Schwerbehinderte, BerufsrückkehrerInnen und MigrantInnen. „Die Quote geht an der Realität vorbei. Schwer vermittelbare Gruppen drücken den Vermittlungserfolg und gefährden eine erneute Durchführung von Folgemaßnahme unserer Träger“, sagt Helfrich vom BBB.

Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) in Nordrhein-Westfalen beobachtet einen Rückgang der TeilnehmerInnen und Stellen in der Branche: Die Arbeitsämter stellten weniger Gutscheine aus, als 2002 an Gelder geflossen sind. Zudem sind bisher rund 30 Prozent aller Gutscheine verfallen: Arbeitslose fänden in dieser Frist keinen geeigneten Träger. „Viele Maßnahmen können nicht mehr stattfinden, weil immer weniger Arbeitslose teilnehmen“, sagt Uwe Meyering, Fachbereichsleiter für Bildung, Wissenschaft und Forschung von Verdi-NRW. Viele Lehrkräfte arbeiten dadurch unter Tarif oder verlieren ihre Stelle.

Nach Angaben von Verdi und BBB ist die TeilnehmerInnenzahl an Umschulungen im vergangenem Jahr um ein Drittel auf rund 230.000 gesunken. Als Folge ist jeder fünfte der circa 100.000 Arbeitsplätze und die Existenz von 1.000.000 Freien bedroht. Bisher sind knapp 20.000 Stellen und rund 20.000 Honorarkräfte weggefallen.

Dagegen finanziert sich nach Verdi-Berechnung eine einjährige Qualifizierungsmaßnahme bei einer Vermittlungsquote von nur 40 Prozent bereits nach über sechs Monaten durch den Wegfall des Arbeitslosengelds und die zusätzlichen Sozialabgaben des neuen Arbeitnehmenden.

Doch die öffentliche Hand scheint das anders zu bewerten: Die Mittel für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen – wie Umschulungsmaßnahmen der BA – wurden zwischen 2002 und 2003 von 6,7 auf 5,2 Milliarden Euro gekürzt.

Nüchtern beurteilt die NRW-Regionaldirektion der BA ihre Fördervoraussetzungen nach martkwirtschaftlichen Kriterien. Die NRW-Referatsleiterin für Förderung, Astrid Neese, sagt: „Wir investieren die knappen Beitragsgelder der Sozialabgaben von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und haben somit die Pflicht, erfolgreich zu sein.“ Die Förderung der Weiterbildung sei ein teures Instrument und brauche hohe Erfolgsaussichten. Genau deshalb habe die Agentur die schwierige ‚70-Prozent-Quote‘ aufgestellt .