frisches flimmern (ab heute): Speiseplan für die Augen
Popcorn knabbern, Fruchtgummis schmatzen und Kaltgetränke schlürfen. Für viele Kinogänger das wichtigste Erlebnis. Dabei kann jeder in einem Kino noch mehr genießen: Drei neue Filme stehen auf dem Speiseplan für die Augen.
Western-Kost ohne Bohnen Lokomotiven im Westernfilm sind oft eine Metapher für den fortschrittlichen Wandel der Zeit. In „Der letzte Zug“ (Argentinien, Uruguay, Spanien 2002) von Diego Arsuada ist das Dampfross mehr Sinnbild für eine längst untergegangene Welt: Als ein Hollywood-Studio eine historische Eisenbahn für das Filmprojekt kaufen will, entführen drei alternde Eisenbahnveteranen den Zug und flüchten entlang der längst stillgelegten Bahnlinien Uruguays in Richtung der brasilianischen Grenze. Auf ihrer Reise durch vergessene Orte erhalten sie Unterstützung von den Menschen im Land. Regisseur Arsuada inszenierte sein tragikomisches Railroadmovie im Stil eines Westerns an Originalschauplätzen: Der sehr wichtige Eisenbahntunnel im Film ist der einzige in ganz Uruguay.
(Start in Düsseldorf)
Männergericht
Etwas Warmes braucht der Mensch im kühlen Schweden der 50er Jahre. Die Technik soll Einzug halten in die moderne Küche. Das schwedische Forschungsinstitut für Heim und Haushalt untersucht deshalb das Verhalten der Hausfrauen. Für die Studie müssen noch Daten über eine besondere Zielgruppe gesammelt werden: Die Junggesellen. Beobachter werden in das kleine norwegische Dorf Landstad geschickt, um die Küchenroutine alleinstehender Männer zu studieren. Institutsmitarbeiter Folke (Tomas Norström) bekommt ausgerechnet den starrköpfigen Isak (Joachim Calmeyer) zugeteilt. Von einem Hochsitz in der Ecke der Küche will er sein Studienobjekt beobachten, doch Isak verlegt seine Kochstelle ins oben gelegene Schlafzimmer. Eigenwillig und wortkarg erzählt Filmemacher Bent Hamer in seinem neuen Film „Kitchen Stories“ (Norwegen 2003) eine skurrile Geschichte über Einsamkeit und Männerfreundschaft. Die kammerspielartige Komödie wird von Norwegen ins Rennen um den Auslandsoscar 2004 geschickt.
(Start in Aachen, Bonn, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Münster, Köln)
Sündenhäppchen
Völlerei ist eine Todsünde. Das denkt sich auch „Sin Eater“ William Eden (Benno Fürmann). Er ist unsterblich und kann die Sünden von Verstorbenen in sich aufnehmen, denen die Kirche eine Absolution verweigert. Nach 600 Jahren hat er allerdings genug von den irdischen Missetaten der Menschen und sehnt sich nach ewiger Ruhe. Doch nur ein Ritual kann ihn erlösen. Die beiden New Yorker Priester Alex (Heath Ledger) und Thomas (Mark Addy) sind die letzten Angehörigen eines alten Geheimordens. Als ihr Mentor Dominic (Francesco Carnelutti) stirbt, reisen sie nach Rom, um den rätselhaften Selbstmord aufzuklären. Bei ihren Nachforschungen stoßen sie auf den Sündenesser Eden, jenes Wesen, das die Kirche längst überwunden glaubte. Für Benno Fürmann ist die Rolle des reichen, charismatischen Eden in „Sin Eater“ (USA 2003) sein erster großer Hollywoodauftritt.
Leider ist der Horrorfilm von Oscar-Preisträger Brian Helgeland über abtrünnige Priester und dunklen Kirchen-Hokuspokus eine müde Inszenierung. Selbst der sonst so strenge Vatikan ließ das Filmteam kommentarlos gewähren. Doch Fürmanns herausragende und lässige Darstellung des kühlen Eden ist eine Empfehlung für bessere Filmprojekte.
(Start in Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Oberhausen, Köln) STEFAN ORTMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen