Leben zwischen Berlin, China und der Ukraine: „Ein Chinese mit dem Kontrabass“ im Metropolis
: Mit Lakonie und Zufriedenheit

Jemand wie Han Sen ist ein Glücksfall, wenn man jemanden sucht, über den man einen Dokumentarfilm machen kann. Eigentlich war Ullabritt Horn auf einer Journalistenreise in Charkow in der Ukraine und hatte anderes zu tun. Doch als er ihr dann vorgestellt wurde, war schnell klar: Dieses Leben muss festgehalten werden.

Geboren ist Han Sen 1925 in Berlin. Dorthin hatte es seine Eltern verschlagen, als sie, beide überzeugte Kommunisten, nach dem Shanghaier Studentenaufstand vor den Nachstellungen der chinesischen Behörden fliehen mussten. 1933 setzte sich der Vater mit dem Jungen in die Schweiz ab, sieben Jahre später nahm er den 15-Jährigen mit zurück nach China. Wohl gefühlt habe er sich in China nie, berichtet der jung gebliebene Rentner heute. Belustigt erzählt er, wie die dortigen Freunde ihn mit seiner zackigen Gangart aufgezogen haben: „Kleiner Nazi“ nannten sie ihn. Nach Stalins Tod zog es Han Sen in die Sowjetunion – näher konnte er dem Europa, nach dem er sich zurücksehnte, nicht sein.

Der Gang durch das bewegte Leben ist als filmisches Reisetagebuch inszeniert. Zusammen mit Han Sen streift die Kamera durch Berliner Hinterhöfe, folgt ihm in die Schweizer Alpen, nimmt an Verwandtenbesuchen in Sezuan teil. Als staune er darüber, dass dieses Leben, das er immer für ganz gewöhnlich gehalten hat, von Interesse sein könnte, füttert Han Sen die Bilder mit bescheiden vorgetragenen Anekdoten.

Dass Ein Chinese mit dem Kontrabass ein wunderschöner Film geworden ist, verdankt die Regisseurin auch den unzähligen Fotos aus 76 Jahren Lebenszeit, die Han Sen zur Verfügung stellen konnte. Man kann kaum fassen, dass ein Junge, der nicht der Oberklasse entstammt, im Berlin der 20er Jahre derart häufig fotografiert worden ist, noch dazu nicht in Porträtstudios, sondern auf der Straße, beim Spielen mit Freunden, in der Wohnung oder mit Klassenkameraden in der Odenwald-Reformschule, auf die sein Vater ihn damals geschickt hat, weit entfernt von der preußischen Zucht anderer Lehranstalten.

Han Sens Enkelin besucht heute in Deutschland eine Odenwald-Schule. Er selbst darf nicht mehr als ein Tourist sein in seiner Geburtsstadt: Die Ausländergesetze verwehren ihm, dort zu leben. Für ihn aber kein Anlass zur Verärgerung. Er blickt auf sein Leben mit Lakonie und Zufriedenheit. Jana Babendererde

Freitag (in Anwesenheit der Regisseurin und Han Sen), 19 Uhr, außerdem Samstag, 17 Uhr, Mo + Mi, 21.15 Uhr, Metropolis