Kein Mensch stellt Ansprüche an die CDU

Die taz-Debatte zur Bürgerschaftswahl geht weiter: Bremen braucht nicht noch mehr Lähmung und keine positionelle Verschmelzung der großen Parteien, findet Thomas Ehmke, der Vorsitzende der Bremer Jungsozialisten. „Was wir brauchen, ist ein kreativer Prozess“

„Ich sehe die größere inhaltliche Nähe nicht bei der CDU, sondern bei den Grünen“

taz ■ Sicher geht Rot-Grün! Und auch, wenn die Regierungsbeteiligung der Grünen für mich als Sozialdemokraten kein Wert an sich ist und ich durchaus sehe, dass es auch zu den Grünen eine Vielzahl inhaltlicher Differenzen gibt, denke ich, dass Rot-Grün in jedem Fall einer Fortsetzung der Großen Koalition vorzuziehen ist. Dafür sprechen eine Reihe von Gründen.

Die Große Koalition steht still! Sie ist angetreten, um zu schaffen. Reformen sollten auf den Weg gebracht werden, Projekte endlich umgesetzt. Nun kann man sich trefflich darüber streiten, ob das, was geschafft und umgesetzt worden ist, alles so glorreich war.

Fakt ist, dass etliche Dinge auf den Weg gebracht wurden. Genauso Fakt ist aber auch: An die Stelle von Aufbruch ist Blockade getreten, die Gemeinsamkeiten sind aufgebraucht. Als Beispiel sei die Bildungspolitik genannt. So bekommt es die Koalition zwar hin, sich auf die Abschaffung der Orientierungsstufe zu verständigen. Was allerdings an ihre Stelle treten soll, ist nicht einigungsfähig. Gerade im Bildungsbereich brauchen wir dringend Reformen. Die Strukturvorstellungen von SPD und CDU stehen sich aber diametral entgegen. Rot-Grün würde ich hier zukunftsfähige und sinnvolle Maßnahmen zutrauen, einer Großen Koalition aber nicht.

Wir brauchen eine Neudefinition der Sanierungsziele und Klarheit über den zukünftigen Sanierungskurs. Ein Sanierungsziel, welches allein auf einen verfassungskonformen Haushalt 2005 abzielt, ist untauglich. Es ist unrealistisch und es ist inhaltlich zu kurz gedacht. Dass wir einen neuen Kurs in der Sanierungspolitik brauchen, hat die SPD-Bürgerschaftsfraktion mehrfach betont. Ob man es nun Neujustierung, Kurskorrektur oder veränderte Schwerpunktsetzung nennt, ist völlig egal. Die CDU hat mehrfach erklärt, es dürfe kein Wackeln und kein Wanken geben, wir machen weiter wie bisher. Das verhindert nicht nur eine Einigung mit der SPD, es ist auch perspektivlos. Eine Einigung über den Kern bremischer Politik ist aber erforderlich. Die Grünen haben mehrfach erklärt, sie wären bereit, die in den Potsdamer Beschlüssen der SPD-Fraktion angelegte Neujustierung der Sanierungspolitik mitzutragen, die CDU hat das nicht getan.

Es heißt, Große Koalitionen seien die Ausnahme in der Demokratie. Dass wir in Bremen aus einer Ausnahme keine Regel werden lassen sollten, macht Sinn. Es fehlt hier derzeit an einer wirkungsvollen Infragestellung von Regierungshandeln. Es gibt keine relevanten Kräfte, die in der Lage wären, an Alternativen zu denken und kraftvoll in der politischen Auseinandersetzung zu verankern. Die fast 90-prozentige Mehrheit der Großen Koalition wirkt erdrückend für jeden inhaltlichen Wettstreit um die richtigen Zukunftsprogramme. Bremen braucht keine Lähmung der inhaltlichen Debatte und keine positionelle Verschmelzung der großen Parteien. Was wir brauchen, ist ein kreativer Prozess und auch eine Polarität von Positionen.

In der Debatte, ob Rot-Grün für Bremen denkbar ist, wird bisweilen so getan, als ob es sich hier um ein einmaliges und ganz besonders fragwürdiges Experiment handeln würde. In Wirklichkeit ist Rot-Grün aber ein gängiges Koalitionsmodell. Die SPD muss sich bei ihrer Koalitionsentscheidung doch letztlich davon leiten lassen, in welcher Konstellation sie den größten Teil ihres Programms umsetzen kann. Ich sehe die größere inhaltliche Nähe nicht bei der CDU, sondern bei den Grünen. Und wenn den Grünen nun von Einigen permanent die Regierungsfähigkeit aberkannt wird, weil sie immer nur kritisieren würden, dann trägt dies meines Erachtens nicht. Die Grünen sind die Opposition, und zwar eine ziemlich kleine – gegen eine sehr große Regierung. Zu erwarten, dass die Grünen immer nur toll finden, was die Koalition macht, ist da nicht realistisch.

Interessanterweise stellt kein Mensch irgendwelche Ansprüche an die Regierungsfähigkeit der CDU. Ihre Position, die Sanierung Bremens würde sich durch die heilenden Kräfte des Marktes von alleine einstellen, solange wir nur unbegrenzt Gewerbeflächen ausweisen und lieb zu Unternehmen sind, ist ausgesprochen phantasielos – vor allem wird sie nicht funktionieren.

Der bildungspolitische Ansatz der CDU ist bestenfalls vorgestrig und die sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen eher spaltend als zusammenführend. Mit der CDU Politik für die Zukunft gestalten zu wollen, ist mit Sicherheit nicht leichter als mit den Grünen. Klar haben auch die ihre Schwächen. Natürlich könnte man oft mehr Konstruktives erwarten. Und vor allem bestehen natürlich inhaltliche Differenzen zwischen SPD und Grünen.

Es geht aber nicht um die Vorbereitung eines Vereinigungsparteitages von SPD und Grünen. Es geht doch um die Frage, mit welcher politischen Konstellation die beste Politik für Bremen möglich ist. Auf diese Frage überrascht die Antwort eines Sozialdemokraten kaum, wenn ich behaupte, mit einer starken SPD.

Aber wenn die Frage lautet, ob im Weiteren die Grünen Bestandteil einer solchen Konstellation sein können, dann sage ich klar ja. Mir wäre dies bedeutend lieber als die Fortsetzung der großen Koalition.

Thomas Ehmke