Zu früh abgehakt

Der HSV verliert in Berlin mit 2 : 1. Dabei hatte es für die Hamburger in der ersten Halbzeit ganz gut ausgesehen. Jetzt müssen sie nur noch lernen, dass ein Spiel aus zweimal 45 Minuten besteht

VON KATRIN WEBER-KLÜVER

Man darf ja Fehler machen. Heißt es. Wenn man aus diesen Fehlern lernt. Das aber ist gar nicht so einfach in dieser Saison. Der weltbeste deutsche Fußballverein, der FC Bayern München, zum Beispiel lernt partout nicht, dass ein Zwei-Tore-Vorsprung noch nicht bedeutet, ein Spiel bereits gewonnen zu haben. Und der Welt einziger ewige deutsche Bundesligist, der Hamburger Sportverein, hat im Jahr 2008 Probleme damit zu begreifen, dass ein Spiel aus zwei Halbzeiten besteht – und man in beiden bei der Sache sein sollte.

Immerhin, an diesem 13. Spieltag verlor der HSV auswärts mal nicht mit keinem eigenen und drei Gegentoren. Und ebenso ist es wohl fast schon als positiver Lerneffekt zu sehen, dass die Mannschaft das Spiel nicht gleich nach Anpfiff verschenkte. In Berlin, gegen die Mannschaft von Hertha BSC, die noch ganz euphorisch, aber auch ein wenig erschöpft war, nutze der HSV seine Chance früh. Ein Einwurf Boatengs, zwei Fehler der Berliner Innenverteidigung, schon hatte Mladen Petrić den Ball und legte ihn sich zu einem schönen Fallrückzieher vor. So stand es nach zwölf Minuten 0 : 1.

Da hätte man denken können, die Zeit der Hamburger Niederlagen an der Spree sei vorbei. Es gab wohl auch noch ein paar kleinere Optionen für weitere Tore, doch die Einschätzung von Berlins Trainer Lucien Favre, in dieser ersten Halbzeit sei der HSV „sehr, sehr gut“ gewesen, war leicht übertrieben. Eher traf zu, dass seine eigene Mannschaft „sehr, sehr schlecht“ agiert hatte.

HSV-Trainer Martin Jol grummelte noch nach Ende der Partie, denn wenn man schon mal in der ersten Hälfte der Begegnung besser ist als der Gegner, „dann soll man das klarmachen“. Sein Widerpart Favre hatte offenbar schon während dieser ersten Hälfte entschieden, sie als verloren abzuhaken. So in etwa äußerte er sich nach dem Spiel. Während der Pause aber ließ er seinen Co-Trainer in der Kabine poltern, auf dass die Spieler sich zusammenrissen.

Nach Wiederanpfiff reichten Hertha vier Minuten, um das Spiel zu drehen. Beide Treffer wurden über die linke Hamburger Abwehrseite vorbereitet, beide aus dem Strafraumzentrum erzielt. Das spricht nicht für Außenverteidiger Marcell Jansen, der zweimal weit vom Geschehen mitlief. Jansen wies am Ende die beste Zweikampfbilanz auf – 83 Prozent gewonnener Duelle. Nur fließt in so eine Statistik nicht ein, wenn einer einen Zweikampf gar nicht sucht.

Die beiden schnellen Gegentore sprechen weniger für die Organisation der Hamburger Innenverteidigung. Sie sprechen für Berlins Cicero, der das 1 : 1 in der 46. Minute köpfte und mehr noch für Favre, der mit Stürmer Domovchiyski den Mann gerade eingewechselt hatte, der in der 49. das 2 : 1 schoss.

Und doch hätte es vielleicht noch eine Wende im Spiel geben können. Denn als Jol Pitroipa für Boateng bracht, als dann dieser Pitroipa Trochowskis linke Mittelfeldposition übernahm und Trochowski nach rechts wechselte, gab es erstmals im Hamburger Aufbauspiel einen Hauch von Ideen und Spielfreude. Sie verpuffte schnell. Der unbenommen etwas apathische Trochowski musste dann ganz und zwar Guerrero weichen. Petrić, Olić und der Peruaner entwickelten keine dreifache Angriffswucht. Pitroipas Anfangsenergie ließ bald nach. Sie brandete nur noch einmal auf, als er in der Nachspielzeit den Ball an die Latte donnerte. Weshalb nun Hertha und der HSV die Tabellenplätze getauscht haben.

Am Sonntag darf der HSV zu Hause spielen. Was ihm leichter fällt. Und der Gegner, der SV Werder Bremen, gehört auch zu den Mannschaften, die nicht unbedingt aus ihren Fehlern lernen.