zugeschaut
: Klerikale Aura für klebrige Chansons

Beim Frühschoppen spülte Papa früher Sünden und Hostienreste mit einem Klaren an der Theke runter. Heute geht es stattdessen zum nüchternen Büßen in den Keller – zum Gemeinschaftssingen und Kollektivlachen. Kabarettist Michi Kleiber und Pianist Christoph Küppers wollen so jeden Sonntag im Eifelturm-Theater die „klerikalen“ Synergieeffekte bei ihrer Matinee „Kult & Sühne“ nutzen.

Das Spiel geht so: Im Internet wünscht sich das Publikum Kultlieder, also Lieder, die niemand mehr so hören will, wie sie eigentlich sind. Kleiber und Küppers bereiten die Nummern deshalb entsprechend kabarettistisch auf. Im Idealfall wird dadurch die Urhymne der WDR2-Hörer „I can‘t get no satisfaction“ zum Obertongesang oder „I will survive“ zur hessischen Klamauknummer. Das Publikum klatscht, singt mit, schmunzelt oder lacht – im Idealfall.

Über das inflationär verschandelte Wort „kabarettistisch“ ließe sich an dieser Stelle eine Grundsatzdebatte führen, denn im Großen und Ganzen gerät die Küppers-Kleiber-Nummer zu einer Mischung aus Cover- und Comedy-Sendung. Und es ist nur Kleibers schnoddrigem Anarcho-Humor zu verdanken, dass die kabarettistische Betitelung nicht ein Fass ohne Boden wird. So windet er sich in der besten Nummer als klebriger Chansonier durch pseudo-frankophile Textzeilen wie „Liebe ist wie ein Leben ohne Unterhemd und Liebe ist wie ein Zungenkuss am Bodensee“.

An dieser Stelle gerät die Show zum großen Kabarett. Oft bleibt sie allerdings zäh wie Kaugummi ohne Geschmack. Die Profillosigkeit ist an manchen Stellen eklatant. Manche Lieder werden einfach plattenrein kopiert, was kaum die Aufgabe von Kabarett sein kann. Küppers mag zwar ein guter Musiker sein, aber an kleinkünstlerischer Improvisation mangelt es ihm. Er verblasst in seiner klerikalen Aura an der Seite der subtilen Kunstfigur Kleibers.

Für das Publikum ist das Ganze eine nette Alternative und Ergänzung zum schwummrigen Kirchgang. Es darf gelacht werden! Gerade weil die Atmosphäre zwischen Stones, Deutscher und Carpendale oft der eines mutmachenden Nachkriegstheaters gleicht, das gut dosiert besser wirkt als jeder knappe Klare.Ingo Petz

Jeden Sonntag, 12 Uhr, im Eifelturm-Theater, Eifelstr. 33