: Genossen plagen sich mit Gesellschaften
Mit der politischen Kontrolle der Bremischen Gesellschaften ist es nicht zum Besten bestellt. Während der SPD-Fraktionschef über „für viel Geld eingekaufte Ideologie“ klagt, fordert der BIG-Geschäftsführer mehr Input von Parlamentariern
Bremen taz ■ Ulrich Keller war angefasst: „Ich bin doch kein Halbgesetzloser, der rumläuft und dringend beaufsichtigt gehört“, zürnte der Geschäftsführer der Bremer Investitionsgesellschaft (BIG). Keller war der einzige Vertreter der Bremischen Gesellschaften auf einer Podiumsdiskussion über „die Parlamentarische Kontrolle“ ebenjener, zu der die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) und der SPD-Unterbezirk Stadt am Mittwoch eingeladen hatten.
Einleitend hatte der Staatsrechtler Alfred Rinken, Präsident des Staatsgerichtshofs, über ein Urteil seines Hauses vom Januar 2002 referiert, in dem das „Beleihungsgesetz“ auf den Prüfstand gestellt worden war. Das Gesetz handelt von „funktionaler Privatisierung“, also der Übertragung staatlicher Aufgaben auf privatrechtlich organisierte Gesellschaften – Kellers BIG, die Wirtschaftsförderung betreibt, zählt ebenso zu diesen Gesellschaften, die nach wie vor im Besitz der öffentlichen Hand sind, wie etwa „bremenports“ oder die Gesellschaft Bremer Immobilien (GBI). Die Richter hatten 2002 zwar das Gesetz als verfassungsgemäß bezeichnet, jedoch eindeutige Bedingungen dafür in ihre Urteilsbegründung mit aufgenommen: Auch wenn gewisse hoheitliche Funktionen durch Private erfüllt würden, bestehe die staatliche Verantwortung fort. Also müssten auch die Anforderungen des Demokratieprinzips erfüllt sein. Die Gesellschaften unterliegen, so Rinken, „der Fachaufsicht eines parlamentarisch verantwortlichen Senators“. Der müsse „personell und inhaltlich auch in der Lage sein, diese Fachaufsicht effektiv auszuüben“. Darüber hinaus dürfe es nicht zu einer Minderung der Kontrollbefugnisse der Bürgerschaft kommen.
Als „Privatmann“ wurde Rinken noch deutlicher: „Wir unterliegen im Moment einer modischen Markt-Ideologie.“ Bei allem Reden vom „Konzern Bremen“ dürften Solidarität, Sozialstaatlichkeit, Gemeinwohl und Demokratie nicht unter den Tisch fallen.
SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen, selbst Aufsichtsrat der BIG, äußerte sich kritisch über das Outsourcing: „Die SPD will die Frage, in welcher Rechtsform öffentliche Aufgaben erledigt werden, nicht ideologisch beantworten“, sagte er. Diverse Gutachten von Beratungsfirmen seien stets zum selben Ergebnis gekommen: Gründung einer GmbH. Böhrnsen bezeichnete das als „für viel Geld eingekaufte Ideologie“. Unternehmen wie Roland Berger und andere hätten „uns ein bestimmtes Staatsverständnis verkauft“, nämlich das eines Nachtwächterstaats, der sich auf wenige Kernfunktionen wie Steuern, Polizei und Justiz beschränkt. „Das wird nie das Verständnis der SPD sein“, fauchte Böhrnsen. Parlamentarische Kontrolle verstehe er nicht als „nachwirkendes Gucken“, sondern als „politische Steuerung“. Zu Beginn eines Geschäftsjahres müsse den Gesellschaften gesagt werden, „was unsere politische Erwartung ist“.
„Es gibt niemand in der ganzen Hansestadt Bremen, der so beaufsichtigt wird wie Herr Keller und die BIG-Gruppe“, keilte der BIG-Chef zurück. Doch von den Mitgliedern des BIG-Aufsichtsrats erwarte er „nicht immer nur Kontrolle, Kontrolle“, so Keller: „Ich möchte von denen auch Input haben und inhaltliche Unterstützung.“
Der frühere SPD-Abgeordnete Horst Isola sprach ein „Problem der Gewaltenteilung“ an, das auch Richter Rinken („ich bekomme da Herzrasen“) beklagt hatte: In den Aufsichtsräten der Bremischen Gesellschaften sitzen auch Bürgerschaftsabgeordnete – und zwar als Gesandte des Senats, die exakt so abzustimmen haben, wie es die Exekutive ihnen befiehlt. „Abgeordnete haben da nichts zu suchen“, wetterte Isola. Sein Ex-Chef Böhrnsen hielt kühl dagegen: Die Aufsichtsräte seien nun mal auch der Ort, wo man wichtige Informationen sammeln könne. „Ich möchte nicht erst mit ‘ner Riesen-Verzögerung von den Dingen erfahren“, so Böhrnsen. Markus Jox
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