Berliner, zur Arbeit, zur Wonne!

Eine Studie zur Freiwilligenarbeit zeigt: Ein Viertel der BerlinerInnen arbeitet ehrenamtlich in der Freizeit. Sozialsenatorin Knake-Werner will noch mehr aus dem Sessel locken und vermutet besonders im Osten Potenzial

Der Berliner an sich bleibt gerne im Sessel hocken. Die Erfahrung machte nicht zuletzt der Senat beim Kampf gegen die Miniermotte. Der Aufruf zum Bürgerengagement unter dem Motto „Motte stoppen – Laub sammeln“ floppte im vergangenen Herbst, nur wenige griffen zur Harke.

Tatsächlich sind die Berliner nicht gerade emsig, wenn es um ehrenamtliches Engagement in Vereinen oder sozialen Organisationen geht. Das zeigt eine von der Senatsverwaltung für Soziales herausgegebene Studie, die einen Überblick über Freiwilligenarbeit und Bürgerschaftliches Engagement in der Stadt gibt. Nur ein Viertel der BerlinerInnen ist bereit, einen Teil seiner Freizeit zu opfern – hauptsächlich im Sport sowie in Schulen und Kitas. In Hamburg oder München ist immerhin ungefähr jeder Dritte aktiv.

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) versucht dennoch, Optimismus zu verbreiten: Zumindest im Westteil der Stadt habe sich eine funktionierende Freiwilligenstruktur etabliert, wie sich etwa am Beispiel der Stadtteilzentren und Nachbarschaftshilfen zeige. Die vielen Anfang der 80er-Jahre entstandenen Selbsthilfeprojekte, die damals noch als spektakuläre Alternativen in der Öffentlichkeit für Aufmerksamkeit sorgten, seien inzwischen ganz selbstverständlich geworden.

Zweifellos ist die Stadt auf die verschiedenen ehrenamtlichen Tätigkeiten angewiesen: „Viele Elemente unserer Zivilgesellschaft sind ohne diese Aktivitäten gar nicht denkbar“, so Knake-Werner. Auch wenn nicht mehr viel Geld zur Verfügung steht, will die Sozialsenatorin deshalb das Ehrenamt stärker fördern. Ein Teil der Finanzhilfen für Freiwilligenprojekte solle in die Ostbezirke umgelagert werden. Denn dort vermutet die Studie noch mobilisierbares Potenzial: Laut Studie sind gerade die Ostberliner über 45 Jahren auffällig selten aktiv. Bei der Umfrage äußerte diese Gruppe aber großes Interesse, ein Ehrenamt zu übernehmen. Viele von ihnen waren früher ehrenamtlich aktiv. Offenbar auch eine Folge der Wende, denn im Osten der Stadt seien viele Strukturen „platt gemacht worden“, so Knake-Werner. „Das muss jetzt erst wieder aufgebaut werden.“

Auch mit einem FreiwilligenPass, der Ermäßigungen in Schwimmbädern und bei kulturellen Veranstaltungen gewährt, will die Sozialsenatorin neue Engagierte locken. Doch Geld spielt für ehrenamtliche Tätigkeiten offenbar kaum eine Rolle. Laut Studie haben 82 Prozent der Aktiven einfach Spaß an ihrer Tätigkeit. 78 Prozent gefällt es, „etwas für das Gemeinwohl“ tun zu können. Genauso viele wollen sympathische Menschen treffen.

Was laut Studie viele Organisationen mit ehrenamtlichen Mitarbeitern wirklich brauchen, sind geeignete Räumlichkeiten und Fortbildungsmöglichkeiten für ihre Mitarbeiter.

Stefan Wagner von der Paritätischen Bundesakademie, der die Ehrenamt-Studie verfasst hat, geht davon aus, dass ehrenamtliche Tätigkeiten in Zukunft immer weniger an bestimmte Zeiten oder Organisationen gebunden sein werden. „Die Leute wollen sich nicht traditionell binden.“

Sehr fortschrittlich vermittelt etwa die Internet-Plattform www.gute-tat.de Fleißige für einen Tag, die ein paar Stunden in einem Projekt oder einzelnen Personen helfen wollen. Fast 200 Leute seien im vergangenen Jahr vermittelt worden. Und die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass diese langfristig zu festen Helfern werden, glaubt jedenfalls Wagner. WIBKE BERGEMANN