Berlin spart sich den Osten

Pünktlich zur EU-Osterweiterung ziehen sich Berlin und Brandenburg aus der deutsch-polnischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft TWG zurück. Wirtschaftsförderung nun wieder Ländersache

VON UWE RADA

Kleine und mittlere Unternehmen auf dem Sprung nach Polen sollten sich schon mal vorsorglich nach einer Consulting-Firma umschauen. Denn die deutsch-polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft TWG, die kooperationswillige Unternehmer bislang kostenlos betreute, steht vor dem Aus. Sowohl Berlin als auch Brandenburg wollen sich zum Ende des Jahres aus der Gesellschaft mit Sitz im westpolnischen Gorzów Wielkopolski zurückziehen. Entsprechende Informationen der taz bestätigte gestern Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS).

Im Dschungel der zahllosen Wirtschaftsförderungsinstitutionen war die 1996 gegründete TWG mit ihren 30 MitarbeiterInnen eine feste Größe, nicht zuletzt dank ihres Internetportals (www.infopolen.de), das nicht nur Business-News liefert, sondern umfassend über Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft des Nachbarlands informiert. Möglich wurde dieses Angebot durch die öffentlich-rechtliche Konstruktion der TWG. Gesellschafter sind neben der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland die grenznahen Bundesländer und Woiwodschaften Berlin, Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Zachodniopomorskie (Westpommern), Lubuskie (Lesbuser Land) und Dolnośląskie (Niederschlesien).

Doch damit soll nun Schluss sein. „Bei der Gründung wurde ausdrücklich vereinbart, dass die Gesellschafter nur bis zum EU-Beitritt in der TWG bleiben“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftssenators. Danach müsse sich die Gesellschaft auf eigene Beine stellen können oder eine neue Unternehmenskonstruktion gefunden werden. Dies sei auch das Thema der nächsten Aufsichtsratssitzung, die am 16. Februar stattfindet.

In der TWG selbst fürchtet man vor allem um die Chancen der Unternehmer, auf den Märkten des Nachbarlands Fuß zu fassen. „Sowohl die deutschen Firmen, die nach Polen wollen, als auch die Polen, die es nach Deutschland zieht, müssen nun teure Berater engagieren“, sagt TWG-Sprecherin Anja Ludewig. Dies sei umso problematischer als es gerade die kleinen Firmen seien, die auf eine kostenlose Beratung angewiesen seien. „Die Großen beschäftigen ohnehin ihre eigenen Polenexperten.“

Berlins Osteuropabeauftragter Wolfram O. Martinsen sagte der taz, es sei an der Berliner Wirtschaft, zu überlegen, ob sie Organisationen wie die TWG brauchten. Wenn ja, müssten sie auch für deren Finanzierung aufkommen. Statt auf eine große Lösung wie in Gorzów, setzt Martinsen ohnehin auf eine kleinere, effektivere Wirtschaftsförderung made in Berlin and Brandenburg. Allzu viel ist dabei allerdings noch nicht herausgekommen. Zwar wurden die Wirtschaftsförderung Berlin und die ehemalige Außenhandelsorganisation BAO inzwischen fusioniert. Das seit Jahren angestrebte Internetportal allerdings ist noch immer nicht im Netz.

Ähnlich sieht es in Brandenburg aus. Warum das so ist, bleibt allerdings das Geheimnis des Polenbeauftragten von Ministerpräsident Matthias Platzeck, Gerd Harms. Der ehemalige Kultusminister von Sachsen-Anhalt, der als Versorgungsfall in der Potsdamer Staatskanzlei landete, ließ gestern wortreich verkünden, dass er zu diesem Thema nichts zu sagen hat.