Sehr, sehr danke für die Punkte

Die Schotten gewinnen 2:1 gegen Island. McBerti ist aber nach einem Jahr immer noch auf der Suche nach der Idealelf

GLASGOW taz ■ Berti Vogts hat einen Liebling unter all den englischen Worten. Very. Am liebsten möchte er es in jedem Satz unterbringen, und weil das nicht geht, benutzt er das Wort, wo es passt, immer gleich doppelt. „Very, very exciting“, sehr, sehr aufregend sei es gewesen, erzählte der schottische Nationaltrainer vom Niederrhein am Samstag nach dem 2:1-Sieg über Island in der EM-Qualifikation.

Nach einer „sehr, sehr hoffnungsvollen Woche“ und „sehr, sehr harten 90 Minuten“ schaue er „sehr, sehr positiv in die Zukunft“ und wolle deshalb den 37.000 Zuschauern im Glasgower Hampden Park für die Unterstützung „very, very thank you“ sagen. Bloß eine Sache wird man Berti Vogts wohl noch sehr, sehr lange nicht sagen hören: Dass Schottland eine sehr, sehr gute Nationalelf hat.

Theoretisch hat der Erfolg vom Samstag Schottland zum ärgsten Konkurrenten der deutschen Auswahl in der Gruppe fünf befördert. Zwei Siege und ein Unentschieden aus drei Spielen stehen zu Buche, aber alles, was sich etwa die Tageszeitung The Scotsman vom Vergleich gegen die deutschen WM-Finalisten Anfang Juni in Glasgow erhofft, ist, dass „wir gegen die Weltmeister im Würstemachen nicht wie ein Haufen Metzgerlehrlinge aussehen“. Und Vogts selbst reagierte auf die Frage, ob er jetzt die Deutsche jage, mit der Feststellung: „Ein toller Witz.“ Schottland muss erst einmal wieder konstant gegen kleinere Fußballländer wie Island gewinnen, ehe man wieder an heldenhafte Niederlagen gegen die Großen wie Deutschland denken kann.

Um es mit klassischem britischen Understatement zu sagen: Nicht alles ging glatt in den ersten 13 Monaten von Vogts. Mit Deutschland wurde er 1996 Europameister, doch auf die Idee, ihn einen großen Trainer zu nennen, kamen wenige, und die Zahl der Bewunderer ist seit Beginn seines Engagements in Schottland wohl kaum größer geworden. Der Sieg am Samstag war erst der dritte in elf Spielen, manche Vorführung wie das 2:2 zum Auftakt der Euro-Qualifikation gegen die Färöer war schlichtweg peinlich. Die Irritation wurde durch die permanenten Personalwechsel von Vogts nicht geringer, 42 Spieler setzte er in 11 Partien ein; nach über einem Jahr sollte er bei der Suche nach einer festen Elf weiter sein. Deshalb war das 2:1 vom Samstag zunächst einmal auch kein Anfang guter Zeiten, sondern nur eine Notwendigkeit, das Schlimmste abzuwenden.

45 Minuten demonstrierte Schottland, wie der Weg vorwärts führen könnte. Sie taten nicht viel – aber vor allem machten sie wenig falsch. Sicher rollte der Ball im schottischen Flachpassspiel, gefährlich wurde es jedoch nur selten und fast ausschließlich über den rechten Flügel. Flanken von rechts nutzten Angreifer Kenny Miller vom englischen Zweitligisten Wolverhampton und Verteidiger Lee Wilkie zu den Toren. Zwischenzeitlich hatte Eidur Gudjohnsen vom FC Chelsea ausgeglichen, und Berti Vogts in seiner einmalig eigenartigen Art erklärte: „Wir müssen reden: Warum verloren wir nach dem Ausgleich für 15 Minuten unser Selbstvertrauen?“ Dass ein Gegentor Fußballteams ins Schleudern bringt, ist ein alltägliches Erlebnis, aber Vogts betonte seine Frage nach dem Warum, Warum, als spreche er über ein Weltwunder.

Seine schrullige Art zu reden, hat er sich auch in der fremden Sprache beibehalten, ebenso sein Faible, bei der Spielanalyse auf die kuriosesten Details zu verweisen. Die Leidenschaft hätte gefehlt, bemängelte Vogts nach einem 0:2 im Test gegen Irland im Februar: Kaum ein Spieler hätte vor Anpfiff die Nationalhymne laut mitgesungen! Das ordnete er deshalb vor dem Island-Match ausdrücklich an.

RONALD RENG