Personalpolitik mit Imagegewinn

Trotz Wirtschaftsflaute müssen manche Unternehmen um gute Mitarbeiter kämpfen. Zum Beispiel im Maschinenbau

BERLIN taz ■ Nicht erst seit der „Green Card“-Debatte ist klar: Es gibt in Deutschland zwar immer mehr Arbeitslose, aber zugleich beklagen Unternehmen einen Mangel an hoch qualifizierten Arbeitskräften. Mittelständische Firmen in der Provinz müssen deshalb etwas bieten, um für diese als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.

In Igersheim beispielsweise. Igersheim ist nirgendwo. Dort, am nördlichen Rand Baden-Württembergs, ist die Wittenstein AG beheimatet. Der High-Tech-Maschinenbauer bekam vom Projekt „Top-Job“ unter Leitung des Instituts für Mittelstandsökonomie an der Uni Trier den Titel „Arbeitgeber des Jahres 2003“. Ein „Qualitätssiegel“, das Fachkräfte anziehen wird, hofft Personalleiter Michael Geier.

Starre Hierarchien sind bei dem Unternehmen mit insgesamt 800 Beschäftigten out. Und das nicht nur wegen der komplizierten Produkte, sondern auch wegen des hohen Akademikeranteils. „Wo kreativ gearbeitet wird, stört so was nur“, meint Firmensprecher Ulrich Boelcke. Stattdessen setzt man auf Teamgeist. Auch beim Lohn. Neben einem überdurchschnittlichen Grundgehalt beteiligt Wittenstein die Mitarbeiter am Gewinn. Eine Bezahlung nach individueller Leistung lehnt die Firma jedoch ab. Stattdessen erhalten alle Mitarbeiter den gleichen Anteil, unterschieden nur durch die Jahre, die sie in der Firma arbeiten. Das fördert die Treue, sagt der Sprecher.

Hinzu kommen Freizeitangebote, wie eine alljährliche Kinowoche, Weiterbildungskurse, ein Fitnessraum sowie Räume, die auch privat genutzt werden können. Für den Nachwuchs organisiert man Krabbelkreise, und zur Hochzeit darf das junge Paar den Porsche des Firmenchefs nutzen. Weil im Main-Tauber-Kreis jeder jeden kennt, hat man außerdem das Sponsoring umgestellt: Spenden werden nur da vergeben, wo Mitarbeiter der Firma sich ehrenamtlich engagieren. „Das stärkt das Ansehen beider Seiten, der Firma wie der Mitarbeiter“, so Boelcke.

Der ebenfalls von Top Job ausgezeichnete Fahrzeughersteller Brose mit 2.700 Mitarbeitern in Coburg kombinierte den Bedarf an Arbeitskräften auf andere Weise mit Imagegewinn: Er stellte in einer Kampagne bevorzugt ältere Arbeitsnehmer ein, „weil wir verstärkt erfahrene Kräfte brauchen“, so Sprecher Christian Treinies. „Brose hat das geschickt als PR-Gag genutzt“, meint Jürgen Apfel von der IG Metall Coburg. Vor allem aber kritisiert er, dass die Firma Überstunden nicht mehr erfasst: „Es gibt Beschwerden von Mitarbeitern, dass der Druck steigt.“

Die Betriebsräte der beiden Firmen aber wollen von der IG Metall nichts wissen. „Wir halten uns für selbstständig denkende Menschen“, polemisiert Renate Diederichs, Betriebsratsvizechefin bei Wittenstein. Die Zusammenarbeit mit dem Vorstand sei gut. DANIELA ENGLERT