Gemeinden wollen keine Arbeitslosen

Dank Roland Koch können Langzeitarbeitslose künftig von den Kommunen betreut werden. Diese aber wollen sie gar nicht haben. Nicht einmal in Hessen äußert man bisher Interesse – obwohl Modellversuche höchst erfolgreich sind

VON FLORIAN OEL

Im Vermittlungsausschuss hatte Roland Koch gekämpft. Er wollte unbedingt durchsetzen, dass die Kommunen die Betreuung von Langzeitarbeitslosen übernehmen. Die Bundesregierung war dagegen, der Deutsche Städte- und Gemeindebund auch. „Gemeindefeindlich“ nannte der Kommunalverband die Position Kochs. Zum Schluss fand man einen Kompromiss. Im Hartz-IV-Gesetz gibt es nun das so genannte Optionsmodell: Wenn die Gemeinden wollen, können sie Langzeitarbeitslose betreuen – sie müssen aber nicht.

Jetzt will niemand von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, nicht einmal in Kochs hessischer Heimat. War die ganze Anstrengung umsonst? Ein entschiedenes „Nein!“ kommt aus dem hessischen Sozialministerium. „Die eigentlichen Rahmenbedingungen sind ja noch nicht verabschiedet“, erklärt Ministerialrat Bertram Hörauf, der an den Verhandlungen beteiligt war.

Genau hier liegt das Problem: Details sind bisher nicht bekannt, denn alles Weitere soll ein Bundesgesetz regeln – und das gibt es noch nicht. „Wir rechnen erst im Juni oder Juli mit einer Verabschiedung“, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Für die Kommunen aber drängt die Zeit – bis Ende August sollen sie sich entscheiden, ob sie Langzeitarbeitslose betreuen wollen. „Der Termin ist ausgesprochen knapp“, moniert deshalb Landsberg. Er glaubt ohnehin nicht daran, dass viele Gemeinden die Verantwortung für Langzeitarbeitslose übernehmen wollen: „Ich bezweifle vor allem, dass Kommunen mit hoher Arbeitslosigkeit mitmachen. Schließlich werden dadurch keine neuen Jobs geschaffen.“

Als Musterprojekt für eine Betreuung von Langzeitarbeitslosen durch die Kommunen wird immer wieder der Main-Kinzig-Kreis angeführt. Dort ist schon seit 1996 das kommunale Sozialamt für die Vermittlung von arbeitslosen Sozialhilfeempfängern zuständig – und das mit Erfolg. „Neue Wege in der Sozialpolitik“ hat der Sozialdezernent des Kreises, Erich Pipa, sein Konzept getauft. 3.300 Sozialhilfeempfänger hat er mit seinem Projekt in den ersten Arbeitsmarkt gebracht und damit 12 Millionen Euro eingespart – obwohl er für die Betreuung zusätzliches Personal eingestellt hat.

In so genannten Modellteams arbeiten alle zusammen, die den arbeitslosen Sozialhilfeempfängern helfen können: Arbeitsamt, Sozialamt, manchmal auch das Jugendamt. Es geht darum, unbürokratisch alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Wer einen Führerschein machen muss, erhält einen Kredit, für Kinder wird ein Hortplatz vermittelt. Zur Weiterbildung werden die Arbeitslosen im Berufsbildungs- und Beschäftigungszentrum (BBZ), einer gemeinnützigen GmbH, angestellt. Das BBZ ist gleichzeitig auch Zeitarbeitsfirma. Es stellt die Arbeitslosen zu Tarifgehalt an und verleiht sie an Firmen. Wenn eine Firma jemanden übernehmen will, geht das von einem Tag auf den anderen. „Nach vier Wochen sind bereits 40 Prozent übernommen, nach vier Monaten sind es 70 Prozent“, sagt der Sozialdezernent.

Von den kürzlich beschlossenen Reformen am Arbeitsmarkt hält Pipa dagegen wenig. „Hartz IV ist eine Katastrophe“, erregt er sich. „Wenn man den Menschen helfen will, muss man Bürokratie abbauen.“ Das aber sei bei den neuen Gesetzen nicht ausreichend geschehen. So erstellen Pipas Mitarbeiter für jeden Fall einen individuellen Hilfeplan. Die Arbeitsämter hingegen seien auf externe Leistungen angewiesen – pauschal eingekaufte Qualifizierungskurse und ähnliche Programme würden aber keine „passgenaue und individuelle Förderung“ gewährleisten.

Pipa ist sich daher nicht sicher, ob sich der Main-Kinzig-Kreis für die Betreuung aller Langzeitarbeitslosen entscheiden wird. Er fordert, dass seine Kommune unkompliziert die gesamte Verantwortung für die Langzeitarbeitslosen übernehmen kann – ohne weitere Vorschriften. Außerdem will er 120 Millionen Euro zusätzlich von der Bundesagentur für Arbeit.

Dass der SPD-Politiker damit eher auf der Linie des CDU-Ministerpräsidenten Koch liegt, ist ihm egal: In diesem Punkt arbeite er mit Koch „Hand in Hand“.