Freiwillige für Saddam, vortreten!

In Algerien melden sich immer mehr Menschen bei der irakischen Botschaft. Sie wollen für den Diktator kämpfen

MADRID taz ■ „Einen gültigen Pass, zwei Fotos und ein Flugticket nach Damaskus“, lautet die Antwort, die der Angestellte der irakischen Botschaft in Algier dutzende Male am Tag wiederholt. Das Telefon der diplomatischen Vertretung steht nicht still. Die meisten Anrufer wollen sich als Freiwillige für „den Krieg gegen den Neokolonialismus“ melden und fragen, was es dazu braucht. „Meist Jugendliche, aber auch Ältere und selbst einige Frauen“ kämen, „um dem irakischen Volk zur Seite zu stehen“, erklärt der Botschaftssprecher.

Wie viele bereits abgereist sind, dazu schweigt die Botschaft. Doch die Schlangen vor der Konsularabteilung sprechen Bände. 30 bis 50 Personen dürften pro Tag ihre Reiseunterlagen erhalten. Ein Flug nach Damaskus, wo die Kriegswilligen von den irakischen Behörden in Empfang genommen werden, geht einmal täglich. Das Geld für die Tickets in den „Krieg zum Schutz der Wiege der arabisch-muslimischen Kultur“ sammeln sie vor den Moscheen. Und der Geldbeutel sitzt locker. Man hat nicht vergessen, dass die Iraker einst die Ersten waren, die Algerien im Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich unterstützten. „Dieser Krieg ist eine Aggression gegen alle Muslime“, erklärt Abdallah Djaballah, der Führer der im Parlament vertretenen legalen islamistischen Partei al-Isah. Er wirft der algerischen Regierung und Präsident Abdelasis Bouteflika Scheinheiligkeit vor. Die Imame und selbst hohe Funktionäre aus dem Religionsministerium schließen sich Djaballah an und rufen zum „heiligen Krieg“ gegen die USA.

Als Beweis für ihre Klagen gegen die algerische Regierung dienen ihnen die Erklärungen aus dem Außenministerium. Statt von „Krieg“, „Aggression“ und „Verurteilung“ ist dort vom „Ausbruch von Feindseligkeiten“, „Bedauern“ und „Bestürzung“ die Rede. „Wir fragen uns, ob Algerien sich nicht in der Anonymität versteckt, um so die USA zu unterstützen“, erklärt auch die Vorsitzende der trotzkistischen Arbeiterpartei, Louisa Hanoune.

Erst eine Woche nach Kriegsbeginn gab es die ersten genehmigten Protestaktionen. Die Regierung rief zu einer landesweiten Schweigeminute auf. Doch der öffentliche Druck zwang sie zum Umdenken. Schließlich wurden überall im Lande Demonstrationen erlaubt, zu denen Parteien und Gewerkschaften riefen. In Oran, wo der Regierungschef und Vorsitzende der ehemaligen Einheitspartei FLN, Ali Benflis, an den Protesten teilnahm, griffen nach der Demonstration hunderte von Jugendliche das spanische Konsulat an. „Aznar – Kriegsverbrecher!“, riefen sie. In Algier blieben Proteste aus. REINER WANDLER