„Die Chance, den Sumpf trockenzulegen“

Jochen Esser, Finanzexperte der Grünen, regt sich weniger wegen zu hoher BSR-Gebühren auf: Der eigentliche Skandal sei, dass der zuständige Vorstand trotz besseren Wissens die Fehlentwicklung bei den Einnahmen nicht gestoppt habe

taz: Herr Esser, Sie sitzen für die Grünen im Sonderausschuss, was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Aufgaben?

Jochen Esser: Wir werden uns natürlich als Erstes die Frage stellen müssen, wie es dazu kommen konnte, dass zu hohe Beiträge abgerechnet wurden. Das wird uns wohl bis zur Sommerpause beschäftigen. Der eigentliche Skandal ist ja der, dass der zuständige Vorstand die Kalkulation für das nächste Jahr nicht verändert hat, obwohl eine Arbeitsgruppe ganz klar die Ursache der zu hohen Einnahmen aufgedeckt hatte.

War das nun Schlamperei oder Vorsatz?

Das war sicher zunächst Schlamperei, aber später müssen mehrere Verantwortliche der BSR beteiligt gewesen sein. Ich denke immer noch, dass Herr Guski das nicht allein machen konnte. Es ist ja auch aufklärungsbedürftig, warum Herr von Dierkes jetzt zurückgetreten ist.

Entweder bringt der Ausschuss da einiges an den Tag, ansonsten werden das die Gerichte klären, falls Herr Guski gegen seine Entlassung klagt.

Was wäre aus Ihrer Sicht eine vernünftige Nachfolgeregelung?

Wünschenswert wäre in jedem Fall, dass jemand von außen geholt wird. Gerade bei den staatlichen Unternehmen sollte man jede Gelegenheit nutzen, um den Berliner Sumpf trockenzulegen.

Die überzahlten Beträge sollen an die Mieter zurückgezahlt werden. Das erfordert einen immensen Verwaltungsaufwand. Wäre es bei der derzeitigen Haushaltlage nicht sinnvoller, das Geld für ökologische oder soziale Projekte zu verwenden?

Das ist eine schöne Idee. In der Tat sind das für die Mieter nur Kleckerbeträge, die in der Regel nicht mal zweistellig sind. Leider ist das juristisch nicht durchführbar, da jeder Bürger einen Rechtsanspruch auf Rückzahlung hat. Da kann ich mir vorstellen, dass einige sagen: Der ganze Schlamassel im Berliner Haushalt ist ja nur wegen der Bankgesellschaft, da will ich nicht für bluten und will zumindest die BSR-Gebühren zurückhaben.

Der Verband der Grundstücksnutzer hat geklagt, weil infolge zu hoher Rückstellungen die Müllgebühren zu hoch waren. Wie soll das in Zukunft geregelt werden?

Es wird überprüft werden, ob Rückstellungen in dieser Höhe überhaut nötig sind und inwieweit diese verzinst werden. Das wird sich in der nächsten Tarifperiode in geringeren Gebühren bemerkbar machen. Allerdings werden wir darauf achten, dass das nicht nicht mit Kostensenkungen, die ohnehin bei der Rationalisierung anstehen, verrechnet wird.

Der Ausschuss soll sich auch mit der Zukunft der Abfallpolitik befassen. Was sind da die grünen Forderungen?

Unser Anliegen ist eine effiziente, ökologische Abfallpolitik. Das heißt, Vergabeverfahren müssen transparenter werden, und es müssen auch private Anbieter mit vernünftigen, alternativen Verwertungskonzepten eine Chance erhalten. Es müssen verbindliche ökologische Vorgaben wie Transportoptimierung, CO2-Reduzierung und Energieausbeute berücksichtigt werden. Die Gebührenpolitik muss in Zukunft auch zur Müllvermeidung anregen.

Was muss sonst noch getan werden, damit ökologische Abfallpolitik hier in Berlin möglich wird?

Erstens muss die BSR konkurrenzfähig werden. Das geht nicht von heute auf morgen, sollte aber aus unserer Sicht bis 2010 abgeschlossen sein.

Zweitens ist die Einrichtung eines Abfallkontors beim Senat erforderlich, wo die gesamte Abfallplanung und Steuerung, die bisher bei der BSR selber liegt, vorgenommen werden kann.

Jochen Esser, 51, ist finanzpolitischer Sprecher der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus