Hongkong trägt Atemschutz

Weltweit bisher 60 Todesfälle durch die gefährliche Lungenkrankheit SARS. Während die Angst wächst, hofft die Weltgesundheitsorganisation, das Virus bald zu finden

BERLIN/MANILA taz ■ Mit zum Teil drastischen Maßnahmen versuchen Gesundheitsbehörden vor allem in Asien und Kanada, die Ausbreitung der gefährlichen Lungenkrankheit SARS (Schweres Akutes Atemwegssyndrom) unter Kontrolle zu bekommen. In Chinas Sonderzone Hongkong wurde gestern ein ganzer Wohnblock unter Quarantäne gestellt. In dem Gebäudekomplext hatten sich 213 Menschen infiziert, davon über 100 in einem Block. Einige sind schon geflüchtet. „Wir haben keine andere Wahl, als zu diesen außerordentlichen Maßnahmen zu greifen“, sagte eine Behördensprecherin. Die Bewohner dürfen das Gebäude zehn Tage lang nicht verlassen.

Hongkong meldete gestern 92 neue Erkrankungen. 620 Personen sind dort bisher an SARS erkrankt. Die Krankheit wirkt sich inzwischen auch auf die Wirtschaft aus. Geschäfte und Restaurants bleiben leer, die Schulen sind schon seit Tagen geschlossen. Viele Menschen trauen sich nur noch mit Atemschutz auf die Straße. Der Aktienindex Hang Seng verlor gesten fast 3 Prozent. Honkongs Fluglinie Cathay Pacific strich 47 Flüge.

Am Wochenende hatte die Rockgruppe Rolling Stones alle Konzerte in Hongkong und China abgesagt. Nach taz-Informationen spielt auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), der sich zurzeit in Peking aufhält, mit dem Gedanken, auf seinen geplanten Besuch Hongkongs zu verzichten.

Weltweit starben bisher rund 60 Personen an der gefährlichen Lungenentzündung, mehr als 1.600 Personen gelten als erkrankt. Die meisten sind zwischen 15 und 34 Jahre alt. Im Stadtstaat Singapur stehen bisher 945 Menschen unter Quarantäne. Drei der dort 91 Infizierten sind gestorben „Die Krankheit ist ansteckender, als wir dachten“, sagte Gesundheitsminister Lim Hung Kiang. Am Flughafen begannen Krankenschwestern gestern mit der Überprüfung Einreisender aus Infektionsgebieten. Fünf Flugpassagiere sollen die Krankheit nach Singapur gebracht haben. In der kanadischen Stadt Toronto, wo es bisher vier SARS-Tote gab, wurde der Gesundheitsnotstand verhängt. Hunderte Menschen stehen in ihren Häusern unter Quarantäne. Zwei Krankenhäuser wurden für neue Patienten geschlossen.

Die Entdeckung des für SARS verantwortlichen Virus könnte nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unmittelbar bevorstehen. „Wir glauben, wir können den Erreger innerhalb der nächsten Tage identifizieren“, sagte Hitoshi Oshitani vom WHO-Asienbüro gestern in der philippinischen Hauptstadt Manila. Ein WHO-Forschungsprojekt ziehe zwei mögliche Erreger in Betracht: das Paramyxovirus und das Coronavirus. Die Identifizierung des Virus könne die Diagnose potenzieller Patienten erleichtern.

Ein Heilmittel für die Krankheit, die nach bisherigen Erkenntnissen nur durch direkten Kontakt übertragen werden kann, gibt es bisher nicht. Antibiotika scheinen nicht zu wirken. SARS ist aber laut WHO in 90 Prozent der Fälle nicht tödlich. Auch geht die Weltgesundheitsorganisation davon aus, dass die Verbreitung des Virus eingedämmt werden kann. Am Wochenende war allerdings auch der italienische WHO-Arzt Carlos Urbani in einem Krankenhaus in Bangkok an SARS gestorben. Er hatte die Krankheit bei einem Patienten in Vietnam entdeckt. Dort gelang es durch strikte Isolation der Patienten, neue Ansteckungen bislang zu verhindern.

Als Ursprung von SARS gilt Südchinas Provinz Guangdong bei Hongkong. Chinas Behörden haben aber mit Ausnahme Hongkongs die WHO und die eigene Bevölkerung kaum über SARS informiert. Noch immer warten WHO-Experten auf eine Einreiseerlaubnis. SVEN HANSEN

CLAUDIA BLUME

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